: Dioxin-Skandal: Ämter schützten konventionelle Betriebe
LEBENSMITTEL Niedersächsische Behörden wussten schon früh, dass mit dem Gift belastetes Futter nicht nur an Biohöfe geliefert wurde. Grüne beklagen „Polemik“
BERLIN taz | Die Behörden haben zunächst verschwiegen, dass der jüngste Dioxin-Skandal in der Landwirtschaft nicht nur Bio-, sondern auch konventionelle Betriebe erfasst. Niedersachsens Futtermittelaufsicht Laves erfuhr einer Sprecherin zufolge wenige Tage nach Bekanntwerden der ersten Dioxin-Funde, dass mit dem krebserregenden Gift belasteter Mais auch an konventionelle Betriebe geliefert wurde. In den Pressemitteilungen des zuständigen Agrarministeriums in Hannover tauchte diese Information aber nie auf. Dort war anfangs nur von den Ökobetrieben die Rede, später ließen die Beamten die Angaben zur Wirtschaftsweise weg.
Dabei ist die Frage von politischer Bedeutung. CDU/CSU und FDP versuchten nach Angaben der Grünen, bei einer Sitzung des Agrarausschusses des Bundestages der Biobranche die Schuld an der Verseuchung zuzuschieben. Der von konventionellen Betrieben dominierte Bauernverband kritisierte laut Nachrichtenagentur dpa das Kontrollsystem für Bio, obwohl die Überprüfung auf Dioxine nicht Aufgabe der Öko-Inspekteure ist. Sollten auch konventionelle Farmen betroffen sein, ließe sich der Fall nicht mehr so leicht als „Bio-Skandal“ bezeichnen.
Dass die Angelegenheit dennoch meist so wahrgenommen wird, ist auch dem CDU-geführten Agrarministerium von Niedersachsen zu verdanken. Es schrieb in einer Mitteilung vom 7. Mai über die bundesweit ersten Dioxin-Funde in dem Fall: „Die betroffenen Legehennenbetriebe arbeiten nach den Methoden des ökologischen Landbaus.“
Am vergangenen Freitag gab das Ministerium eine weitere Mitteilung zu dem Thema heraus: Niedersachsen habe nun auch Schlachtverbote gegen 15 Legehennen- und vier Putenmastbetriebe erlassen. Erst auf Nachfrage der taz sagte Sprecher Gert Hahne, dass „ungefähr die Hälfte“ konventionelle Betriebe seien. Am Montag zog er diese Aussage wieder zurück, jetzt sollten „ausschließlich Biobetriebe betroffen“ sein. Doch dabei geht es nur um die ausgesprochenen Schlachtverbote – nicht um die Frage, ob konventionelle Betriebe Dioxin-Mais erhalten haben. Laves-Sprecherin Hiltrud Schrandt bestätigte nämlich, dass ihr Amt „innerhalb weniger Tage“ nach Bekanntwerden des ersten Funds auch von den Mais-Lieferungen an konventionelle Betriebe erfahren habe.
„Es ist unfair, wenn nicht die ganze Wahrheit kommuniziert wird“, sagte der Geschäftsführer des Bio-Bauernverbands Naturland, Steffen Reese. Und die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfken forderte Schwarz-Gelb auf, „diese billige Polemik“ gegen Bio zu beenden. Ministeriumssprecher Hahne nannte die Vorwürfe eine „absurde Unterstellung“. „Die Pressemitteilung war in Ordnung, und wir haben auf Nachfragen immer korrekt geantwortet.“ JOST MAURIN