SONNE, MOND UND STERNE
: Tage im Nebel

Kein Wunder, dass das mit dem Kommunismus nicht klappte

Mal wieder komme ich zurück nach Berlin, diesmal von einem Ort, wo viel Sonne schien, jeden Tag. Hell war die Sonne da, groß und rund stand sie am Himmel und schien auf mich herab. Hier in Berlin scheint nur der Mond, dafür aber mitten am Tag. Ich weise meine Freundin drauf hin, zu zweit schleichen wir durch die Straßen Berlins am ersten Tag zurück im grauen, diesigen Nebel der Stadt. „Guck mal, der Mond“, sag ich und zeig hoch in den Himmel. Grad ist er gut zu sehen, bisschen dunstig zwar, aber doch.

Meine Freundin bleibt stehen und mustert den Mond. Dann mustert sie mich, ebenso lange. „Meinst du das ernst?“, fragt sie dann. „Was?“, frage ich und schaue sie an. „Oje“, sagt meine Freundin, dann klärt sie mich auf. „Das ist nicht der Mond.“

Mein Blick geht wieder nach oben, ich schaue und schaue, dann muss ich es zugeben. Das ist nicht der Mond. „Das ist die Sonne“, sage ich, halb fragend, halb entsetzt. „Ja“, sagt meine Freundin. „Krass“, sage ich. Und dann sagen wir erst mal nichts mehr, wir fassen uns an den Händen und laufen weiter.

Die Sonne grad mal so hell wie der Mond, das ist doch voll deprimierend. Ich versuche mich aufzumuntern und summe ein bisschen, gehe alle Lieder durch, die ich so kenne, wo Sonne drin vorkommt. „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, fällt mir als Erstes ein, aber ich war wohl schon als Kind Feminist und fand das Lied blöd. Das nächste ist auch nicht besser, dieses russische, von wegen „Die Sonne wird’s immer geben, die Mutter wird’s immer geben“. Meine Mutter gab’s nämlich damals schon nicht mehr, und trotzdem musste ich’s ständig singen. Kein Wunder, dass das mit dem Kommunismus nicht geklappt hat, denk ich. „Kennst du ein Lied mit Sonne?“, frage ich meine Freundin. „Klar“, sagt sie. „Laterne, Laterne!“

Passt ja, denk ich, und stimme ein: „Sonne, Mond und Sterne.“

JOEY JUSCHKA