: Ewige Totenruhe
NAZIZEIT Die Jüdische Gemeinde plant keine Exhumierung des Gestapo-Chefs auf dem Jüdischen Friedhof
Die Jüdische Gemeinde Berlins plant keine Exhumierung der Leiche von Gestapo-Chef Heinrich Müller. „Die Totenruhe gilt ewig“, sagte Gemeindesprecher Ilan Kiesling am Dienstag. Die in einem Massengrab auf dem Jüdischen Friedhof der Großen Hamburger Straße vermutete Leiche von Hitlers Geheimpolizeichef werde aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr zu identifizieren sein.
Höchst bizarr
Der Berliner Historiker Wolfgang Benz hält die Bestattung des Gestapo-Chefs auf einem jüdischen Friedhof für einen Einzelfall. „Was hätten hochrangige Nazis davon gehabt, auf einem jüdischen Friedhof beerdigt zu werden“, sagte der renommierte Antisemitismusforscher. Die Bestattung Müllers an dem Ort sei „höchst bizarr, obskur und motivlos“. Erklärbar sei sie vermutlich „schlicht und pragmatisch“ durch die „unmittelbaren Untergangs- und Nachkriegswirren“ und die Notwendigkeit, wegen der Seuchengefahr Leichen schnell beizusetzen.
Ende Oktober waren Forschungsergebnisse des Leiters der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Johannes Tuchel, veröffentlicht worden, wonach Heinrich Müller das Kriegsende nicht überlebt hat. Seine Leiche soll im August 1945 auf dem Jüdischen Friedhof in Mitte in einem Massengrab beigesetzt worden sein. Tuchel beruft sich dabei auf Archivfunde und die Aussagen eines Totengräbers, der Müller identifiziert habe. Der Chef der Geheimen Staatspolizei gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den Völkermord an den Juden. Westliche Geheimdienste waren lange Zeit davon ausgegangen, dass Müller den Krieg überlebt hatte.
Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) nannte nach Tuchels Veröffentlichung die Bestattung des Gestapo-Chefs „offenbar wahrscheinlich“, aber schwer nachweisbar. In dem Massengrab ließen sich einzelne Leichname nicht mehr als solche erkennen. „Insofern gibt es keine einfache Lösung“, gab Müller Anfang November zu bedenken. Er befürchte aber nicht, dass der Jüdische Friedhof in Mitte zur Pilgerstätte Rechtsextremer werde.
Der Zentralrat der Juden hatte nach Bekanntwerden von einer „ungeheuerlichen Geschmacklosigkeit“ gesprochen. Benz nannte die Beisetzung des Gestapo-Chefs eine Katastrophe für die Jüdische Gemeinde. (epd)