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Archiv-Artikel

MATTHIAS LOHRE ÜBER MÄNNERWarum kommt keine Stimmung auf, wenn Frauen „Germany’s Next Topmodel“ gucken? Es fehlt das gute alte Freund-Feind-Schema Krieg der Welten

Ich fühle mich, als trüge ich einen Weltraumanzug. Denn als ich die Kneipe betrete, richten sich verständnislose Blicke auf mich. Nicht aggressiv, eher verständnislos schauen mich die Frauen an. Männer sehe ich nicht. Ich frage eine Besucherin betont arglos: „Läuft hier auf der Großleinwand das Champions-League-Finale, also der Frauen jetzt?“ – „Nee“, antwortet sie fast entschuldigend, „das wird im Keller gezeigt. Hier oben läuft ‚Germany’s Next Topmodel‘.“ – „Danke“, entgegne ich erleichtert, „dann bin ich hier richtig.“

Schon seit langem will ich die Suche nach Deutschlands nächstem C&A-Model in dieser Kneipe gucken. Jeden Donnerstag werden im „FC Magnet“ die Fußball-Interessierten, die hier normalerweise ordnungsgemäß Leinwände anbrüllen, an Fernseher im Keller und vor dem Klo verbannt. Natürlich will ich Blut, Schweiß und Tränen sehen, auch bei den Zuschauerinnen. Wie beim Fußball-Gucken eben. Ich gehe mit gutem Beispiel voran.

Als eine der Möchtegern-Models lasziv den Laufsteg abschreiten soll, vergisst sie die Reihenfolge ihrer Betörungs-Choreografie. Sie bleibt irritiert stehen.

Ich rufe: „Lauf doch! Lauf! Vor dir ist doch alles frei!“ Die Frauen neben mir starren mich an, als hätte ich etwas Dummes gesagt.

Stimmung kommt erst auf, als es wirklich schlimm wird. Heidis williger Vollstrecker ist ein junger Mann, der sich nicht zu schade ist, den Model-Kandidatinnen unter dem Pseudonym „Q“ Vorhaltungen zu machen. Die Zuschauerinnen stöhnen vor Qual. Ich genieße ihren Hass. Sind gemeinsam gehegte Abneigungen nicht herrlich?

Im Keller, wo das Finale der Frauen-Champions-League läuft, bleibt es meist still. Als die Fußball-Gucker doch einmal johlen, dringt der Krach bis zur GNTM-Leinwand. Einige Sekunden lang hege ich den irritierenden Gedanken, die Fußball-Enthusiasten hätten etwas dagegen, dass eine der Kandidatinnen sich gerade bis auf die Unterwäsche auszieht.

Männer-Fußball und „Germany’s Next Topmodel“ haben wirklich nicht viel gemein. Nach mehr als zwei Stunden Show gibt es ein langweiliges Unentschieden: Keines der sieben Mädchen fliegt raus. Die Frauen um mich herum machen keine neunmalklugen, von Männern gewöhnte Kommentare zum Spielverlauf. Der Trikot-Tausch bleibt leider auch aus. Und dass Turbine Potsdam zur selben Zeit erste Gewinnerin der Champions League der Frauen geworden ist, interessiert auch niemanden.

Woran das liegt, zeigt sich ein paar Tage darauf. Nur rund 1.000 Potsdamer sind gekommen, um ihr Sieger-Team zu empfangen. Die Spielerinnen hopsen ein wenig auf und ab und singen: „So sehen Sieger aus!“ Das weiß ich doch längst! Aber wo bleibt neben der lächerlichen Selbstüberhöhung („We are the champions …“) das unreife Verächtlichmachen des Gegners („… no time for losers“)? Vielleicht täte eine Ansprache von „Q“ der Stimmung ganz gut.

Das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ findet am Tag vor Beginn der Fußball-WM statt. Ich gucke mir beides an. Ich will schließlich wissen, wie Verlierer aussehen.