: NRW ist kein Zonenland
„No-Go-Areas“ gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht, sagen Experten. Allerdings würden Neonazis immer offener auftreten. Deswegen dürfe bei der Jugendarbeit dürfe nicht gekürzt werden
VON DIRK ECKERT
Was haben ein Platz in Düsseldorf-Eller und der Bochumer Hauptbahnhof gemeinsam? Beide Orte sind bekannt dafür, dass sich hier Neonazis treffen, zumindest zeitweise. Nicht, dass der Bochumer Hauptbahnhof für Ausländer oder Linke eine „No-Go-Area“ wäre, die sie lieber generell meiden sollten. Aber es empfiehlt sich, vorsichtig zu sein. Jedenfalls zu gewissen Zeiten.
Die aktuell diskutierten No-Go-Areas, in denen vor allem Menschen mit dunkler Hautfarbe Übergriffe von Neonazis fürchten müssen, gibt es nach Einschätzung von Experten in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht. „Aber es gibt natürlich Orte, von denen man weiß, dass sich dort die rechte Szene trifft“, sagt Stephan Bundschuh, Geschäftsführer des Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit (IDA) in Düsseldorf. Der Hauptbahnhof Bochum und Düsseldorf-Eller seien dafür bekannt. Auch in manchen Regionalzügen würden rechtsextreme Jugendliche immer offener und in Gruppen auftreten. Seiner Beobachtung nach hat die Präsenz von Neonazis im öffentlichen Raum in den letzten Jahren zugenommen. So hätten Neonazis für den 3. Juni eine Demonstration in Düsseldorf angekündigt – die erste seit Jahren in der Landeshauptstadt.
Auch nach Erkenntnissen des NRW-Verfassungsschutzes gibt es keine No-Go-Areas an Rhein und Ruhr. Allerdings hat das NRW-Innenministerium für 2005 vermehrt rechtsextremistisch motivierte Straftaten registriert. In 2005 wurden rund 1.800 „Propagandadelikte“ gezählt, rund 300 mehr als im Vorjahr. Außerdem gab es mit 144 Gewaltdelikten 12 mehr als im Jahr zuvor.
Dass NRW für Ausländer gefährlicher geworden ist, will das Innenministerium daraus aber nicht ableiten. „Es gibt keine Zunahme ausländerfeindlicher Übergriffe“, sagt Dagmar Pelzer, Sprecherin des Innenministeriums. Gewalttaten könnten auch Widerstandshandlungen bei Demonstrationen sein. Rechne man die Zahl der rechtsextremen Straftaten auf die Bevölkerung um, dann liege NRW im Ländervergleich an fünft letzter Stelle.
IDA-Geschäftsführer Stephan Bundschuh fordert nun, aus den neuerlichen rassistischen Gewalttaten in Berlin und Brandenburg Konsequenzen für Nordrhein-Westfalen zu ziehen: „Die Jugendarbeit darf nicht reduziert werden“. Andernfalls drohe das gleiche wie nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland: „Die Neonazis haben im Osten nach 1990 erfolgreich eine eigene Jugendarbeit aufgebaut. Soweit darf es hier gar nicht erst kommen.“