: Ein Quadratmeter Gentechnik
Weil sie findet, das Thema werde unsachlich diskutiert, wollte CDU-Politikerin im eigenen Garten genveränderten Mais anbauen. Das scheiterte am Hersteller: Der gibt so geringe Mengen nicht ab
von GERNOT KNÖDLER
Hermine Heckers Passion ist der Riesenbärenklau, die Herkulesstaude. Die eingeschleppte Pflanze, die ein bisschen so aussieht wie Wiesenschaumkraut, ist giftig. Ihr Saft verätzt in Verbindung mit Sonnenlicht die Haut. Sie wird fünf Meter groß und überwuchert in kürzester Zeit Brachen und Bachläufe. Politisch, als Wandsbeker CDU-Bezirksabgeordnete, aber auch als Bürgerin mit dem Spaten, kämpft Frau Hecker seit mehr als zehn Jahren gegen die Ausbreitung des gefährlichen Unkrauts.
Gar keine Angst dagegen hat die Bachpatin und ehemalige Vorsitzende des Wandsbeker Umweltausschusses vor gentechnisch veränderten Pflanzen. Im Gegenteil: Auf einem Quadratmeter ihres Gartens an der Osterbek wollte sie Genmais der Firma Monsanto anbauen. „Weil es diese entsetzlichen Auseinandersetzungen gibt und oft unqualifiziert nur eine Meinung verbreitet wird“, sagt sie und meint das demonstrative Mähen von Genmaisfeldern durch Greenpeace und die Kampagnen der Umweltverbände.
Frau Hecker ließ einen Quadratmeter Gen-Acker im „Standortregister über die Freisetzung und den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen“ beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eintragen. Und sie bestellte ein Tütchen der Sorte „Mon 810“, die Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) im Dezember 2005 als erste genmanipulierte Maissorte für den kommerziellen Anbau freigegeben hat. Monsanto habe aber abgewunken: Derart kleine Mengen liefere das Unternehmen nicht aus.
Auf die Idee, Mon 810 anzubauen, ist Hecker paradoxerweise durch eine Sonderbeilage der taz gekommen: die transregionale, ein Gentechnik-Spezial zur europäischen Konferenz „Gentechnikfreie Regionen, Biodiversität und ländliche Entwicklung“. Darin war für die „Aktion Bantam-Mais“ geworben worden. 100.000 Gärtner, Bauern und Balkonbepflanzer sollten die konventionelle, süße Sorte „Golden Bantam“ anbauen. Diese kann durch den Mon-810-Mais leicht befruchtet werden, so dass sich überall im Land Konflikte zwischen Gentechnik-Gegnern und Monsanto-Maisbauern ergäben. Überall säßen Gentechnik-Gegner, die Auskunft darüber verlangen dürften, wo in ihrer Nachbarschaft Genmais angebaut wird.
Die streitlustige Frau Hecker hat die Aktion in ihrem Sinne umgemodelt: Bei der Grünen Woche staubte sie von den Gentechnik-Gegnern ein paar Samen-Tütchen ab und beschloss, in der einen Ecke ihres Gartens Golden Bantam aus zu sähen und in der anderen Ecke Mon 810. „Ich hätte niemanden damit geschädigt“, sagt sie, „weil in der Nachbarschaft weder Bienenvölker sind, noch Bauern.“ Weil sie damit rechnete, trotz der Anonymität des Registers möglicherweise Protestler auf der Fußmatte stehen zu haben, sagte sie dem Bezirksamt und ihrem Vermieter Bescheid.
Mit friedlichen Demonstranten zu diskutieren, hätte ihr wohl richtig Spaß gemacht. Als die GAL während ihrer Zeit als Abgeordnete „keine grüne Gentechnik auf kommunalen Flächen“ beantragte, begann Hecker sich mit dem Thema zu befassen. Beim Besuch der taz diskutiert sie leidenschaftlich. Sie schleppt Unterlagen herbei – pro und contra – und erzählt von den Debatten mit ihren Kindern. „Was mich am allermeisten stört“, sagt sie, „sind die Gegner, die Gewalt anwenden.“
Die Gentechnik biete enorme Chancen, findet Hermine Hecker, und sei ohnehin nicht mehr zu stoppen. 8,5 Millionen Landwirte in 21 Ländern bauten auf 90 Millionen Hektar transgene Pflanzen an, referiert sie, „und jetzt kommt dieses kleine Deutschland und sagt: Wir wollen das nicht.“ Wenn sich die Bundesrepublik der Gentechnik verweigere, verpasse sie bloß einen weiteren Technologie-Zug.
Sie selbst hätte sehr interessiert, wie sich der Genmais gemacht hätte und was passiert wäre, wenn er sich mit dem Bantam-Mais gekreuzt hätte. „Ich hätte auch keine Problem damit“, versichert Hecker, „den Mon 810 zu essen.“