IN DER APOTHEKE
: Mit oder ohne Fluorid

So viel Zahnpasta brauche ich gar nicht

Friedenau scheint ein schönes und ruhiges Plätzchen zu sein. Auf dem Rüdesheimer Platz wartet im Sommer ein großes, offenes Weinlokal, im Winter sammeln sich heitere Senioren in der Lottoannahmestelle und klagen höchstens darüber, sich die Glücksspirale nicht mehr leisten zu können. Der Spätherbst ist prächtig, der Spätherbst des Lebens scheint auch nicht schlecht zu sein, selbst wenn die Blätter fallen.

Und wenn mal etwas zu sehr zwickt – Ärzte und Apotheken sind immer in rollatorläufiger Nähe. Die Apotheke am Rüdesheimer Platz heißt Globus Apotheke, obwohl sie eckig gebaut ist wie alle anderen. Als ich sie betrete, sind merkwürdige Geräusche zu hören. Ein kleiner quietschender Affe, frage ich mich. Nein, jemand putzt die Fenster! Ah, ach so.

Die Apothekerin heißt laut Namensschild „R. Glückstein“ und ist ungefähr in meinem Alter. Sie sieht mir direkt in die Augen, ist grundfreundlich und zuvorkommend, kann mir aber leider auch nicht erklären, ob eine Zahnpasta jetzt mit oder ohne Fluorid besser ist. Wenn es doch um Paradontose geht.

Sie lächelt. Ich lächele auch und werde etwas nervös. Schon wieder flirte ich mit Apothekerinnen, vielleicht sollte ich mal diesen Wunsch nach Frauen mit Krankenschwestersyndrom überprüfen, wenn es denn das ist, was mich interessiert, und nicht ein altersgemäß umgewandelter Servantilismus, also grob gesagt das Verehren von Servierkräften, aber vielleicht führt das jetzt auch zu weit.

Besonders, wo ich einen Ehering an ihrem Finger zu entdecken glaube, was mich situativ sofort beruhigt. Was hätte ich auch tun sollen? Sie sofort nach einer Verabredung fragen? Und so schnell komme ich nicht mehr in diese Apotheke. So viel Zahnpasta brauche ich nicht. Auch keine Tabletten. Schließlich stehe ich ja noch, sagen wir, im Spätsommer des Lebens. RENÉ HAMANN