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Archiv-Artikel

Glos will Emissionshandel aushebeln

Wirtschaftsminister Wolfgang Glos will den Preis pro Tonne Kohlendioxid deckeln. Damit könnte es für Unternehmen billiger werden, Strafen zu zahlen, als in Klimaschutz zu investieren. Experten glauben, dass die Pläne mit EU-Recht nicht vereinbar sind

VON BERNWARD JANZING

Wirtschaftsminister Michael Glos will den Handel mit Emissionsrechten durch die Hintertür zu einer Art Planwirtschaft machen: Nach dem Willen des CSU-Ministers soll der Preis der CO2-Kontingente faktisch auf 20 Euro je Tonne Kohlendioxid gedeckelt werden. Widerspruch kam sofort von Umweltminister Sigmar Gabriel, der damit das gesamte System des Emissionshandels ausgehöhlt sieht.

Nach den derzeit gültigen Spielregeln im europäischen Emissionshandel wird eine Strafe in Höhe von 40 Euro je Tonne fällig, wenn Unternehmen sich nicht ausreichend am Markt mit Emissionszertifikaten eindecken. Glos hatte nun in einem Brief an Finanzminister Peer Steinbrück vorgeschlagen, die Strafgebühren auf 20 Euro je Tonne zu senken. Das wäre allein genommen nicht so dramatisch, weil die Unternehmen fehlende CO2-Zertifikate zusätzlich noch zum Marktpreis nachkaufen müssen. Aber auch hier will Glos ansetzen, indem er die Unternehmen von der Pflicht freistellt, fehlende Verschmutzungsrechte nachzukaufen.

Doch das ist brisant. Die Unternehmen könnten dann nämlich kalkulieren, ob es billiger ist, Strafe zu bezahlen oder die Kontingente einzukaufen. Das würde für den Zertifikatehandel bedeuten, dass der Marktpreis auf 20 Euro je Tonne gedeckelt wird, weil kein Unternehmen mehr Zertifikate für höhere Preise erwirbt. Zudem gäbe es damit keine Begrenzung der Emissionen mehr, weil Luftverschmutzer sich beliebig freikaufen können.

Entsprechend reagierte Umweltminister Gabriel auf den Vorschlag: Eine solche Konstruktion habe „mit Klimaschutz nichts zu tun“. Durch die von Glos gewünschte „amtliche Festlegung des Zertifikatepreises“ höhle man die marktwirtschaftliche Funktion des Emissionshandels aus. „Mit solchen Konstruktionen werde der gesamte Emissionshandel ein zahnloser Tiger“, sagte Nino Turek vom Ingenieur- und Beratungsbüro Fichtner in Stuttgart. Und Werner Betzenbichler, vom Carbon Management Service des TÜV-Süd in München, bestätigt: „Dann können die CO2-Preise sich nicht mehr am Markt bilden, sondern sind bei 20 Euro gedeckelt – was den Klimaschutz unterwandert.“

Die Akteure im Emissionshandel bleiben ruhig – denn Minister Glos hat in dieser Angelegenheit schlicht nichts zu melden. „Wenn Herr Glos das machen wollte, müsste er erst das EU-Recht ändern“, heißt es trocken im Umweltministerium. Schließlich basieren die Regeln zur Ausgestaltung des Emissionshandels auf einer EU-Richtlinie aus dem Oktober 2003.

Unterdessen laufen die Arbeiten am „Nationalen Allokationsplan“ (NAP) auf Hochtouren. Die Bundesregierung muss diesen Plan, der die Zuteilung der Zertifikate an die einzelnen Unternehmen für die Jahre 2008 bis 2012 regelt, bis Ende Juni an die EU melden. Dies werde fristgerecht geschehen, erklärte Gabriel am Wochenende, nachdem zuvor Zweifel an dem Terminplan aufgekommen waren.

Ein wesentlicher Streitpunkt ist noch die Zuteilung der Zertifikate für neue Kraftwerke. „Jeder Betreiber eines neuen Kraftwerks wird bedarfsgerecht ausgestattet“, heißt es im Umweltministerium. Gleichwohl ist Fakt, dass Gaskraftwerke weniger Papiere erhalten werden als Kohlekraftwerke, weil man bei flexiblen Gaskraftwerken, die überwiegend in der Spitzen- und Mittellast laufen, geringere Laufzeiten annimmt als bei Kohlekraftwerken, die in der Grundlast betrieben werden. Ein Anreiz zur Nutzung des Gases, das im Vergleich zur Kohle deutlich weniger Kohlendioxid erzeugt, wird damit jedoch nicht gegeben, was Umweltverbände kritisieren.