: Die Band aus Hannover
Eine nette Geste sollte es eigentlich sein, als die Sängerin von Shonen Knife letzthin bei deren (im übrigen großartigen) Konzert in Berlin auf die Scorpions zu sprechen kam, was aber vom Publikum unwirsch abgetan wurde, das gar nicht wissen wollte, dass man sich auch im japanischen Osaka mit der deutschen Rockszene auskennt. Also widmete die japanische Sängerin und Gitarristin das gerade in Angriff genommene und recht metalhaltige Lied eben dem jüngst verstorbenen Heavy-Metal-Sänger Ronnie James Dio. Das wurde dann vom Publikum ohne Widerspruch abgenickt.
Die Scorpions sind diese Band aus Hannover, die den Exkanzler Gerhard Schröder zum Kumpel haben und mit „Wind of Change“ ein Lied, das wirklich alle mal gehört haben und das darüber hinwegzutäuschen vermag, dass es sich bei den Scorpions tatsächlich um eine Hardrockband handelt. Das muss ich schon deswegen bestätigen, weil ich sie mal live gehört habe, in einem Konzertsaal in der Provinz, dessen Boden eingenässt war mit Bier, während die vielen GIs im Saal (es war ein Kasernenstädtchen) tobten. Es war also großartig, beweist aber schon deswegen nicht allzu viel, weil es mein erstes Rockkonzert überhaupt war und ich deswegen noch nicht wirklich einen Überblick hatte, zumal sonst auch nicht viel los war in der Stadt.
Eine Platte von den Scorpions habe ich trotzdem nicht im Regal. Tatsächlich kenne ich auch niemanden, der eine von der Band besitzen würde oder das zumindest zugäbe. Genauso wenig kann ich mich erinnern, jemals eine Plattenkritik oder sonstige Auseinandersetzung mit den Scorpions bei meiner zugegebenermaßen nur kursorischen Lektüre der Musikmagazine Spex und Rolling Stone gelesen zu haben. Als ob es die Band gar nicht gäbe als berichtenswerten Gegenstand, trotz ihrer 100 Millionen verkauften Platten weltweit, die immer nur die anderen gekauft haben. Was die Scorpions zu so einem Rosamunde-Pilcher-Phänomen macht, für das sich das Feuilleton nicht wirklich zuständig fühlt. Nur in den vermischten Nachrichten war dann zu lesen von den Hannoveraner Erfolgen in Brasilien, in Sibirien, in Japan und doch auch in Deutschland, wo es für das aktuelle und letzte Album „Sting in the Tail“ wieder mal Gold für 100.000 verkaufte Exemplare in einem Monat gab, die natürlich auch wieder keiner hat.
Deswegen interessiert es bestimmt niemanden, dass die Scorpions heute um 14 Uhr bei Dussmann bei einer Signierstunde anzutreffen sind und morgen am Samstag im Rahmen ihrer auf zwei Jahre angelegten Abschiedstournee in Berlin in der O2 World spielen. Die Scorpions. So groß, das man sie fast übersehen kann. THOMAS MAUCH