: Antiterrorkrieg fördert weltweite Folter
Amnesty international legt Jahresbericht 2006 vor. „Krieg gegen Terror“ führt auch in Europa zu schweren Verletzungen von Menschenrechten und einer Aushöhlung des Folterverbots. Positive Entwicklung in Nepal seit Entmachtung des Königs
VON KERSTIN SPECKNER
Gebrochene Versprechen von Seiten der Politik prägen die Situation der Menschenrechte weltweit, bilanziert die Organisation amnesty international (ai) in ihrem Jahresbericht 2006 mit dem Titel „Auf der Suche nach menschlicher Sicherheit“, der gestern in Berlin vorgestellt wurde. Diese war laut ai 2005 in den 150 untersuchten Ländern vielfach bedroht: staatliche und nichtstaatliche Gewalt, Armut, Naturkatastrophen, Terrorismus und Diskriminierungen.
Besonders kritisch sieht ai den weltweiten „Krieg gegen den Terror“ unter Führung der USA. Dieser werde ohne Rücksicht auf Menschenrechte geführt und habe zu einer „Erosion des allgemeinen Folterverbots“ geführt, sagte die Generalsekretärin von amnesty in Deutschland, Barbara Lohbichler. Nicht nur im US-Gefangenenlager Guantánamo und in Staaten wie dem Jemen oder Ägypten seien Terrorverdächtige rechtlos und oft Opfer von Folter. Auch in Europa gebe es geheime Gefängnisse und Entführungen durch Geheimdienste. Verschärft werde die Situation dadurch, dass Länder wie Großbritannien „diplomatische Zusicherungen“ von Staaten, in Einzelfällen nicht zu foltern, nutzten, um Terrorverdächtige abzuschieben. Ai nannte in diesem Zusammenhang das Beispiel Libyen.
Positiv bewertet amnesty hingegen die Bemühungen des EU-Parlaments und des Bundestags, die heimlichen Entführungen durch den CIA aufzuklären. Auch die Einsetzung des UN-Menschenrechtsrats begrüßte Lohbichler, allerdings müssten seine Einflussmöglichkeiten noch geklärt werden. Außerdem sind in dem Gremium schwere Menschenrechtsverletzer wie China vertreten, das bei der Kandidatur Besserung versprochen hatte.
Chinas Menschenrechtsbilanz bleibt dennoch katastrophal: Schwere Folter, Verfolgung von Minderheiten und ein „exzessiver Einsatz der Todesstrafe“ sind in China Alltag. Positiv kommentierte amnesty, das Angela Merkel bei ihrem Chinabesuch Menschenrechtsverletzungen ansprach. Allerdings müsse diesen Worten beständige Arbeit folgen, damit China seine Versprechen auch einhalte. China richtet 2008 die Olympischen Spiele aus. Bei seiner Bewerbung hatte Peking versprochen, Menschenrechtsvorgaben einzuhalten.
Eine weitgehend positive Bilanz zieht amnesty hingegen für Nepal. Unter dem inzwischen machtlosen König Gyanendra war es das Land, in dem im vergangenen Jahr weltweit die meisten Menschen „verschwanden“, weil sie heimlich verhaftet und festgehalten wurden. Dennoch hat sich die dortige Bevölkerung nicht durch staatliche Gewalt einschüchtern lassen. Jetzt gibt es wieder ein Parlament, das die königlichen Unterdrückungserlasse außer Kraft gesetzt hat.
Doch nicht nur in Staaten, die als notorische Menschenrechtsverletzer bekannt sind, wie China oder Saudi-Arabien, bleibt es bei politischen Absichtserklärungen: In Belgien wurde ein neues Gesetz, das die Lebensbedingungen von Häftlingen verbessern sollte, nicht umgesetzt. Überbelegungen, Personalmangel, Isolationshaft und Diskriminierungen finden weiter statt.
In Griechenland wurden Roma-Familien gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, damit diese abgerissen werden konnten. Roma sind dort auch immer wieder Opfer von rassistischer Diskriminierung und Übergriffen.
Weltweit wurde 2005 laut ai in 104 Ländern staatlich gefoltert. Todesurteile ergingen in 53 Ländern, mindestens 2.148 Todesurteile wurden vollstreckt.