Gericht schreibt Protokoll

Geheimnisverrat im Untersuchungsausschuss kommt vor Hamburgs Verfassungsgericht. CDU will zwei Gutachten nicht akzeptieren, die ihr rechtswidriges Gebaren bescheinigen

von SVEN-MICHAEL VEIT

In der Protokoll-Affäre des Senats wird das Hamburgische Verfassungsgericht Recht sprechen müssen. Die CDU-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft hält daran fest, die mögliche Weitergabe von vertraulichen Akten des PUA Feuerbergstraße (siehe Kasten) „an Dritte“ zu überprüfen. Die rot-grüne Opposition hält das für „rechtswidrige Schnüffelei“. Wenn die CDU „uneinsichtig bleibt, werden wir das Verfassungsgericht anrufen“, stellten die Obmänner von SPD und GAL, Andreas Dressel und Till Steffen, am Mittwochabend auf der Sitzung des Gremiums klar.

Die CDU-Mehrheit will den Untersuchungsauftrag so erweitern, dass nicht nur mögliche Vertrauensbrüche von Senat und Behörden unter die Lupe genommen werden. Zusätzlich will sie ihrem Verdacht nachgehen, dass einzelne Abgeordnete der Opposition geheime Protokolle des PUA Feuerbergstraße an Medien weitergegeben haben.

Einen „Eingriff in das Grundrecht der Pressefreiheit“ nennt das der GALier Steffen. Mit Hinweis auf die BND-Affäre stellte Dressel klar, „kein Ausschuss dürfe prüfen, wie Berichte in den Medien zustande kamen“. CDU-Obmann Harald Krüger jedoch beharrt darauf, „Licht ins Dunkel“ zu bringen: „Wir wollen wissen, ob Abgeordnete die Vertraulichkeit gebrochen haben.“

Und das trotz eines Rechtsgutachtens, das die Unzulässigkeit des CDU-Ansinnens belegt. Jörn Axel Kämmerer, Professor an der Bucerius Law School, kam am Freitag voriger Woche in seiner Expertise im Auftrag des PUA zu einer Einschätzung, die Dressel „glasklar“ findet: „Die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes hätte nicht erfolgen dürfen“, formuliert Kämmerer. Damit bestätigt er die Rechtsauffassung, welche zuvor bereits die Juristen der Bürgerschaftskanzlei vertreten hatten. Zudem erklärte Kämmerer es für „gerechtfertigt“, dass dem Ausschuss die geheimen Berichte zweier Sonderermittler vorgelegt werden. Der Ausschuss dürfe deren „verfahrensrelevante“ Teile in öffentlicher Sitzung behandeln und Zeugen damit konfrontieren. Dies sei auch „gegen den Willen Betroffener zulässig“.

Nach Bekanntwerden der Protokoll-Affäre im März hatten Bürgermeister Ole von Beust und Bürgerschaftspräsident Bernd Reinert (beide CDU) zwei interne Untersuchungen angeordnet. Staatsrat Axel Gedaschko ermittelte in den Behörden, der Vizepräsident des Finanzgerichts, Werner Kuhr, überprüfte die parlamentarischen Abläufe darauf, wer wann welche Unterlagen des PUA herausgegeben, erhalten oder sogar aktiv angefordert hatte. Beide Berichte werden mit Verweis auf den Datenschutz und die Fürsorgepflicht für betroffene MitarbeiterInnen unter Verschluss gehalten.

Nun müssen sie und auch weitere Unterlagen dem Ausschuss vorgelegt werden. Denn ein EDV-Experte der Finanzbehörde erklärte den verdutzten Abgeordneten vorgestern Abend, es gebe „Sicherungsbänder von PC-Laufwerken der Sozialbehörde“, darunter auch von den Dienstrechnern von Senatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU). SPD und GAL beantragten, diese Bänder zu „beschlagnahmen“. Damit ließe sich klären, wer wann welche Geheimakten an die Behörde mailte, und wer sie wann las.

Mit diesen Fragen wird der Protokoll-PUA sich zunächst beschäftigen. Denn zur Klärung der Frage, ob der CDU-Antrag verfassungsgemäß ist, wird sich Hamburgs höchstes Gericht mindestens ein paar Monate Zeit lassen.