: Vom Bürschchen zum Kapitän
Seine Bewerbung fürs Kapitänsamt der Nationalmannschaft hat Philipp Lahm bereits vor Monaten abgegeben. Er hatte im November 2009 ein Interview mit der SZ geführt. Es schlug hohe Wellen, denn der Angestellte des FC Bayern München maßregelte seinen Arbeitgeber: Der Serienmeister solle sich endlich ein klares taktisches Konzept zulegen. Das war nicht nur selbstbewusst, es rüttelte den FC Bayern auch auf. Spätestens nach diesem Interview war klar, dass aus dem flinken Flügelläufer Lahm ein Mann geworden ist, der etwas zu sagen hat und der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Zu Beginn seiner Karriere galt er als nettes Bürschchen, als „ein Kerl zum Knuddeln“ (Stuttgarter Nachrichten). Zwar war er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen nicht auf den Kopf gefallen, doch die großen Wortführer waren andere. In der Nationalmannschaft führte Michael Ballack das Zepter. So wäre es auch bei der kommenden WM in Südafrika gewesen, hätte sich der Profi des FC Chelsea London nicht am Knöchel verletzt. Er fällt für die WM aus. Lahm übernimmt nun sein Amt. Es ist alles andere als eine Notlösung.
Die Kapitänsbinde darf Lahm, Jahrgang 1983, künftig mit dem sicheren Gefühl über den Arm streifen, das Amt auch ausfüllen zu können. Der Urmünchner wird von seinen Kollegen geschätzt. Er vertritt die Fraktion der jüngeren Kicker. Bundestrainer Löw schickt eines der jüngsten DFB-Teams zum Championat ans Kap. Die Generation Ballack ist mit Torsten Frings oder Bernd Schneider abgetreten. Lahm ist der Chef von etablierten Mittzwanzigern (Schweinsteiger, Podolski) und talentiertem Nachwuchs (Khedira, Badstuber), der sich noch seine Sporen verdienen muss. Lahm, der eine eigene wohltätige Stiftung ins Leben gerufen hat und eine Kampagne gegen Raser unterstützt, dürfte genug Empathie aufbringen, um sich in ihre Lage zu versetzen. Denn vor vier Jahren war er einer der Hoffnungsträger in der Klinsmann-Truppe. Lahm enttäuschte seine Fans nicht. Er schoss das erste Tor der WM 2006. Es war so spektakulär wie der Aufstieg des nur 1,70 Meter großen Abwehrspielers von der Freien Turnerschaft München-Gern zum Kapitän der DFB-Elf.
MARKUS VÖLKER