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Archiv-Artikel

Bremens erster Gemeinderat

SPD Andreas Bovenschulte soll Bremer Sozialdemokraten führen – obwohl er für Speckgürtelgemeinde arbeitet. Karin Jöns erzielt Achtungserfolg bei Mitgliederbefragung

Eine Ursache der Bremer Haushaltsmisere: Dass viele Beschäftigte im Speckgürtel leben und Steuern zahlen. Etwa in Weyhe, wo Bovenschulte Gemeinderat ist.

VON CHRISTIAN JAKOB

An der Spitze bleibt ein Mann: Der Weyher Bürgermeister Andreas Bovenschulte soll neuer SPD-Landesvorsitzender werden. Nach der letzten von vier Regionalkonferenzen sprach sich die Parteibasis für den 44-jährigen Juristen aus. Bovenschulte erhielt rund 54 Prozent der Stimmen und setzte sich damit gegen die ehemalige Europaabgeordnete Karin Jöns durch.

Bovenschulte wird nun auf dem Landesparteitag am 5. Juni für die Nachfolge von Uwe Beckmeyer kandidieren. Der Bremerhavener Bundestagsabgeordnete, der seit 2006 an der Spitze der Bremer SPD steht, tritt nicht noch einmal an. Eigentlich hatte er dies vorgehabt, doch dann kündigte der Ex-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende und neue Bremer MdB Carsten Sieling an, Beckmeyer herauszufordern. Doch weil letztlich keiner einen Gesichtsverlust riskieren wollte, designierten die beiden Bovenschulte als Nachfolger – angeblich, weil eine Kampfkandidatur „der Partei geschadet hätte“.

Die nach einer Kandidatur auf einem aussichtsarmen Listenplatz im Herbst 2009 aus dem EU-Parlament ausgeschiedene Karin Jöns sah dies anders. Sie erklärte im März, gegen Bovenschulte als Wunschkandidat von Sieling und Beckmeyer antreten zu wollen – ein schwerer Stand. Der Vorsprung von nur rund 100 Stimmen, den Bovenschulte letztlich errang, kann da durchaus als Achtungserfolg für Jöns gelten.

Zuvor hatten sich die beiden in vier Regionalkonferenzen den Mitgliedern vorgestellt. So wollte die Partei ihre Basis in die Kür einbinden und bis nach der letzten Runde am Samstag im World Trade Center beteiligten sich insgesamt 1.127 SPD-ler an der Vorauswahl. Das ist ein knappes Viertel aller Mitglieder, was der stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Ehmke „sensationell“ fand. Immerhin: In Niedersachsen war weniger als ein halbes Prozent der SPD-ler bei den Regionalkonferenzen erschienen. Ehmke sagte, dass der Landesvorstand das Votum als verbindlich betrachtet und Bovenschulte dem Parteitag als Kandidaten vorschlagen werde.

Viele fürchteten, dass Bovenschulte als Erster Gemeinderat von Weyhe in Loyalitätskonflikte geraten könnte: Die Bremer Haushaltsmisere ist zu einem nicht unerheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass viele in Bremen Beschäftigte in Niedersachsen leben und dort ihre Steuern zahlen. Was, wenn es Bestrebungen gibt, an dieser Steuerarchitektur zu rütteln? „Können wir uns 100-prozentig darauf verlassen, dass Du dann auf der Seite Bremens stehst?“, fragte ein Parteigenosse.

Der im Viertel lebende Bovenschulte wischte den Einwand weg, ohne ihn entkräften zu können: Bremen und Weyhe hätten ein „hervorragendes Verhältnis“, was „vielleicht“ an der dortigen SPD-Mehrheit liege. Ohnehin seien die Städte seien im „Wettbewerb der Regionen aufeinander angewiesen“ und würden „voneinander profitieren“, sagt er.

Dass seine Erwiderung wenig substantiell war, machte nichts, denn wie stets während der Podiumsdiskussion am Samstag traf Bovenschulte den richtigen Ton. Vor allem deswegen mag er überzeugender als Jöns gewirkt haben, inhaltlich waren zwischen den beiden jedenfalls kaum Unterschiede auszumachen. Beide Hartz IV – rauf, „dafür stehen wir hier“, Gewoba – nicht privatisieren, „da passt kein Blatt zwischen uns“, Studiengebühren – auf keinen Fall. Sie sprachen sich für allerlei aus, was die Basis gern hörte: Gegen „Zweiklassenmedizin“ und „Unfug“ wie die Kopfpauschale oder für höhere Löhne für „Frauenjobs“.

„Ich kann es kürzer machen, es bringt ja nichts, ständig alles zu wiederholen“, sagte Jöns am Ende, als sie sich nach einer Fragerunde wieder zu den gleichen Themen wie Bovenschulte äußern sollte. Der Moderator, der Vorsitzende des Unterbezirks Bremen-Stadt Angelo Caragiuli, wendete dies positiv: Ich bin angenehm überrascht, dass wir so viele Gemeinsamkeiten haben,“ schloss der die Diskussion.