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Archiv-Artikel

Aus Liebe zum Fußball

PORTRÄT Donald Spaine ist einer der wenigen schwarzen Schiedsrichter in der Stadt. Rassistische Beschimpfungen gehören für ihn zum Alltag. Anfangs war er allerdings geschockt – vom schlechten Spielniveau in der Kreisklasse

In Sierra Leone pfiff er in der höchsten Liga vor bis zu 20.000 Zuschauern. In Berlin darf er nur Kreisliga

VON JOHANNES KOPP

„Nachts“, erzählt der dunkelhäutige Donald Spaine, „würde ich in einigen Ostbezirken der Stadt niemals ausgehen. Das ist mir zu riskant.“ Tagsüber jedoch, meist am Sonntag, wacht er auch in diesen Gegenden auf 100 mal 60 Meter großen Feldern über Recht und Ordnung. „Bist du verrückt? Warum pfeifst du in Marzahn und Hellersdorf?“, würden ihn des Öfteren Kollegen fragen, erzählt Spaine.

Der Berliner Schiedsrichter kommt aus Sierra Leone in Westafrika. Jens Dassow, sein „Ansetzer“ vom Berliner Fußballverband, glaubt, dass er von den 1.100 Schiedsrichtern in Berlin der einzige ist, der aus Afrika stammt. Spaine sagt, er habe auf einer Versammlung schon einmal zwei afrikanische Kollegen getroffen, aber er sei wohl der einzige, der regelmäßig pfeift. Seit 1997, einem halben Jahr nach seiner Ankunft in Deutschland steht er fast jeden Sonntag in Berlin auf einem Fußballplatz.

„Erstaunlicherweise völlig ohne Probleme“ seien seine Spiele bislang verlaufen, sagt Dassow. Spaine sei freundlich und ruhig, aber entschieden, man könne ihn bedenkenlos überall in Berlin einsetzen. Das ist ungewöhnlich. Gerhard Müller, der Vorsitzende des Schiedsrichterausschusses vom Berliner Fußball-Verband, räumt ein, dass man etwa türkischstämmige Schiedsrichter nicht unbedingt in den Osten der Stadt schicken würde, weil dort ausländerfeindliche Ressentiments gehäuft aufträten.

Spaine erklärt: „Mir macht es immer Spaß, egal wo ich pfeife.“ Allerdings seien die friedlichen, problemlosen Begegnungen keine so große Herausforderung, so der 45-Jährige. Wenn man hingegen schwierige Spiele in einem schwierigen Umfeld unter Kontrolle bekomme, stelle sich danach dieses schöne Gefühl der Zufriedenheit ein.

Donald Spaine beschreibt seine Aufgabe als Balanceakt. Wenn er pedantisch die Regeln anwenden würde, hätte er oft nicht mehr genügend Spieler mehr auf dem Platz. Manchmal müsse man auch wegschauen können. Andererseits bestehe dann die Gefahr, die Kontrolle über das Spiel zu verlieren. Dieser delikaten Aufgabe müsse man seine ganze Aufmerksamkeit widmen.

Rassistische Beschimpfungen lasse er gar nicht an sich ran. Die gebe es schon immer wieder. Aber: „Wenn da einer ‚Nigger‘ ruft, geht das bei mir zum einen Ohr rein, zum anderen aber gleich wieder raus“, sagt Spaine. Er beschreibt sich als „sehr ruhig“. Mit Adrenalin und Emotionen müsse man umgehen können. Wobei der Schiedsrichter manchmal schon staunt, wie viel Hass auf den Berliner Plätzen im Spiel ist. Ende der 90er-Jahre mussten in der Stadt pro Saison oft über 100 Begegnungen abgebrochen werden. Spaine selbst beendete nur einmal eine Partie vorzeitig. Von vier Spielern sei er damals attackiert worden, weil er ein vermeintliches Tor nicht anerkannt hatte. Er habe sich mit einem Fausthieb verteidigt und wurde deshalb gar vor Gericht angeklagt.

Wenn man die sportliche Laufbahn von Spaine zurückverfolgt, überrascht sein Erfolg auf Berlins Plätzen wenig. In Sierra Leone pfiff er in der höchsten Liga vor bis zu 20.000 Zuschauern. Er stand kurz vor der Beförderung zum Fifa-Schiedsrichter. „Ich stand schon beim Weltverband auf der Liste“, erzählt er. Beinahe hätte er beim Afrika-Cup 1996 in Südafrika gepfiffen. Doch der Bürgerkrieg in Sierra Leone stoppte seine Karriere. Spaine folgte seiner Frau nach Deutschland.

Anfangs liebäugelte er auch in Berlin noch mit einer Karriere als Schiedrichter. Doch in Deutschland gibt es keine Anerkennung für im Ausland erbrachte Leistungen. Donald Spaine musste den Regeln des Deutschen Fußball-Bundes gemäß ganz unten im Amateurlager anfangen – in der Kreisliga, wo er noch heute pfeift. „Das war schon demotivierend“, erzählt Spaine. Anfangs sei er sehr enttäuscht über das schlechte Spielniveau gewesen. Weil er einen so großen Aufwand leisten musste, um in Deutschland seinen Lebensunterhalt zu verdienen, fehlte ihm die Energie, sich von ganz unten wieder nach oben zu arbeiten. Nun pfeift er eben bei den Minderbegabten. Donald Spaine zuckt mit den Achseln. „Warum nicht? Ich liebe Fußball.“