Die Bahn & ihre Kunden : Einmal aufregen geht noch
Wenn die Bahn AG zu etwas imstande sein sollte, dann ist es der Transport vieler Menschen von einem Ort zum nächsten. Das ist ihr Geschäft. Doch zur Eröffnung des laut Eigenwerbung „modernsten Bahnhofs der Welt“ konnten die erwarteten 100.000 Besucher gestern leider nicht per Bahn anreisen. Zwischen 15 und 22.30 Uhr hielten im Hauptbahnhof keine S-Bahnen. Während des abendlichen Lichtspektakels fuhren gar keine S-Bahnen zwischen Bellevue und Friedrichstraße. An dieser Stelle tut es gut, tief durchzuatmen und mehrmals vor sich hin zu murmeln: „Ich rege mich jetzt nicht wieder über die Bahn auf, sie ist es nicht wert.“ Um es dann doch zu tun.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Sicher, Kritik an der Bahn ist leicht zu haben. Neben Behörden, Politik und Wetter zählt das Mammutunternehmen zu den Lieblingen aller Nörgler. Zu teuer, zu groß, zu spät, am falschen Ort und ohne Nahverkehrsanbindung – so lauten die verbreiteten Kritikpunkte. Vieles daran ist berechtigt, auch wenn manche Bauprobleme schwer vorhersehbar waren. Doch zur hanebüchenen Planung der zweitägigen Bahnhofseröffnung lässt sich schnell ein Urteil sprechen: Die Bahn ist blasiert und ignorant.
Welches Privatunternehmen ließe seine Kunden auf dem Weg zur Eröffnung des Firmenflaggschiffs möglichst viele Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen? Welche Firma gäbe das Doppelte der vereinbarten Summe für einen Neubau aus – ohne sich von den Geldgebern in die Bilanzen schauen zu lassen?
Der augenfälligste Nachweis der Ignoranz aber folgt heute Abend. Da spielen BAP ein Konzert für die Bahn. Ja, BAP, die zu Berlin gehören wie Kölsch, Katholizismus und Karneval! Aber über die rege ich mich jetzt nicht wieder auf. Sie sind es nicht wert.