: Karten für den Frieden
AGIT-KUNST Die Ausstellung „Friedensschauplätze“ in der NGBK will den Relaunch der Friedensbewegung mit künstlerischen Mitteln
VON KATRIN BETTINA MÜLLER
Erstens: Fahnen. Zweitens: Karten. Drittens: Netzwerke der Information. Viertens: Waffen? Nein, keine Waffen zu sehen in der Ausstellung „Friedensschauplätze“ in der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst. Es sei denn, das Foto von den schweren Hämmern, die von den irischen Antimilitaristen PitStop Ploughshares zur Beschädigung von Kriegsgerät eingesetzt werden und bereits durch die Hände von mehr als einer Generation gingen, zählen als Waffen.
Teile von Waffen waren einmal die Rasseln und Percussion-Instrumente von Victor Gama, Elektroingenieur und Musiker aus Angola. Aus Munitionsbehältern und Granathülsen wurden sie von ihm selbst oder von Kindern in Workshops gebaut. Das erinnert ein wenig an das alte Motto der Friedensbewegung, „Schwerter zu Pflugscharen“. Tatsächlich geht es dem fünfköpfigen Kuratorenteam der „Friedensschauplätze“ um nicht weniger als den „Relaunch der Friedensbewegung“, wie es eine der Kuratorinnen, Karin Kasböck, formuliert. Sie hat für die Ausstellung papierne Fahnen gemalt, die gleich eingangs über den Köpfen der Besucher dichtgedrängt hängen und Logos der verschiedenen Aktivisten und Initiativen abbilden, die in der Ausstellung dabei sind. Die Globen, die darunter stehen, stellen modellhaft statistische Daten im Zusammenhang vor: dass zum Beispiel die Gegenden, die am weitesten von Kriegen entfernt sich, zu den größten Exporteuren von Kriegsgerät gehören.
Ist Frieden darstellbar?
Kriegsschauplätze sind immer in den Medien präsent und werden beinahe stereotyp mit immergleichen Bildern belegt – wie aber ist die Arbeit am Frieden darstellbar? Das war eine Ausgangsfrage der Kuratoren. Aber auch sie merkten bald, dass sie nach Antworten vor allem bei jenen Künstlern suchten, die Kriege und Konflikte als Referenzrahmen haben. Und deshalb kommt die Ausstellung selbst nicht umhin, das rhetorische Arsenal des Krieges zu benutzen.
Sehr wichtig sind zum Beispiel Karten als Visualisierung von Konflikten. Sie stecken so voller kleinteiliger Informationen, dass ihre Entschlüsselung Zeit braucht. Deshalb liegen sie in dicken Papierstapeln zum Mitnehmen bereit. Am einfachsten lässt sich das Projekt „Decolonizing Architecture“ des Architekturbüros von Alessandro Petti, Sandi Hilal und Eyal Weizmann aus Bethlehem im israelisch besetzten Westjordanland entschlüsseln. Sie zeichnen, wie in eine verlassene Militärbasis die Natur zurückkehren könnte und Vögel in die zerfallenden Gemäuer einziehen.
Ein kleines Theater ist im Ausstellungsraum aufgebaut, mit Puppen aus Draht und Puppen aus Pappe, Stellvertreter für ein Projekt aus Kinshasa. Das kleine Theater Espace Masolo hat sich dort besonders den Straßenkindern und ehemaligen Kindersoldaten gewidmet, die – oft sogar von ihren Familien ausgegrenzt – wenig Perspektiven haben. Das Marionettentheater wird von europäischen Initiativen unterstützt. Die Initiatoren des Theaters leben inzwischen in Paris. Ein Bildschirm zeigt Ausschnitte ihrer Stücke, die auch geschrieben wurden, um den Kindern beim Ausdrücken ihrer Konflikte zu helfen.
So hat das Material der Ausstellung oft Hinweischarakter. Nur weniges ist so direkt anschaulich wie die Fotografien eines Künstlers aus Nairobi, der sich Solo7 nennt: Er hat Schilder mit Parolen wie „Keep Peace“ oder „Peace wanted alive“ mit Kohle und Kreide auf Bleche und Schilder geschrieben, an Häusern und Marktständen in Kibera fotografiert. Das Besondere aber ist, dass er selbst diese Botschaften angebracht hat während eines Wahlkampfes in Kenia, der auch mit Waffen ausgetragen wurde. Seine Schilder halfen dort, wo sie angebracht waren, tatsächlich die Gewalt zu stoppen, wird erzählt.
Militärs in Halle/Leipzig
Anschaulich sind auch die Piktogramme einer Gruppe von vier Künstlern aus Leipzig (Jan Caspars, Anne König, Jan Wenzel und Vera Tollmann), die 2008 entdeckt und thematisiert hatten, dass der Flughafen Halle/Leipzig auch vom US-Militär auf dem Weg in den Irak genutzt wurde. Wie in einem Kinderbuch reihen sich die schwarzweißen Bildsilhouetten, die Soldaten bei der Materialausgabe, beim Einstieg und beim Ausstieg in das Flugzeug und schließlich im Einsatz zeigen. Vor allem dass die Gruppe mit dieser verblüffend geraden Bildsprache von einem Kunstprojekt auf dem Flughafengelände ausgeschlossen worden war, trug der Geschichte, die doch gerade verborgen werden sollte, Beachtung ein.
Die Hoffnung, dass es möglich ist, in Konflikten zu intervenieren, und die Kunst dabei ein Mittel sein kann, ist der kleinste gemeinsame Nenner der ausgestellten Initiativen. Für die Künstler heißt das oft viel, ist doch die lebenspraktische Anwendung oft um vieles befriedigender als ein bloßes Agieren auf dem Markt. Zwar legt die Ausstellung in der gedrängten Präsentation von solistischen Aktivisten und großen Gruppen das Bild einer starken Bewegung nahe. Und doch entzieht sich das Material wieder einer gemeinsamen Bewertung – zu weit gestreut sind die Schauplätze, zu weit auseinander liegen die Ebenen der Argumentation. So dass man am Ende doch etwas ratlos ist, was hier bewiesen werden sollte: dass Kunst politisch handeln kann?
■ NGBK, bis 13. Juni, tägl. 12–19 Uhr