Widerstand halb durchgebrannt

Hausbesetzer, Studenten, Mediendesigner, Agenturleute und manchmal Schlipsträger: Mit Punk, Techno und Rap leiht die Mediengruppe Telekommander einem breiten Spektrum eine Stimme. Morgen tritt sie im Postbahnhof auf

Die Sache mit den Groupies, die war dann doch seltsam. „Das ist ein Phänomen, mit dem man irgendwann mal konfrontiert wird“, erzählt Florian Zwietnig und wägt seine eh schon bayerisch breite Wortwahl noch vorsichtiger ab. Man, das ist die Mediengruppe Telekommander, und Folge dieses Phänomens für das Duo war: „Man fühlt sich total vor den Kopf gestoßen, weil man denkt: Wir sind doch nur die Mediengruppe.“

Nur die Mediengruppe? So viel Bescheidenheit hätte man von Zwietnig und seinem Kompagnon Gerald Mandl gar nicht erwartet. Poltern die beiden doch auch auf ihrem neuen Album „Näher am Menschen“ wieder lustig drauflos. Frech setzt man sich noch einmal mittenrein zwischen Politik und Party, Punkrock und Rap, Parodie und Parole. Die beiden fordern „Bild dir deine Meinung“, meinen das natürlich anders als das Boulevardblatt und wollen prinzipiell, so Mandl, „animieren, selber mal wieder den Arsch hochzukriegen“.

Dazu bedienen sich der Wiener Mandl und der Münchner Zwietnig, die die Mediengruppe Telekommander seit 2003 gemeinsam von Berlin aus betreiben, eines so rüden wie in die Beine gehenden Bastards aus Hiphop, Punk und Techno. Über dem rotzen sie ihre eindeutig zweideutigen, mit ironischem Abstand die Sprache der Werber und Medienmenschen zitierenden Texte aus. „Näher am Menschen“ ist zwar benannt nach einer christdemokratischen Parteitagslosung, aber als Plattentitel auch durchaus ernst gemeint: „Es war uns wichtig wegzukommen von diesem stark Parolenhaften des ersten Albums“, erzählt Zwietnig, „weg von der allgemeinen Medien- und Konsumkritik, hin zu Themen, die für jeden wichtig sind.“

Lösungen habe man zwar natürlich auch keine anzubieten, aber immerhin „eine beobachtende Position“. Aus der heraus, so Mandl, „kanalisiert man einen Diskurs, den es eh gab“, man gibt dem Überdruss einen Ausdruck, der Machtlosigkeit einer Generation, die sich gegängelt fühlt von miesen Zukunftsaussichten und ewig wiederkehrenden Praktikumsschleifen. So gibt die Mediengruppe einem überraschend breiten Spektrum eine Stimme: Bei ihren Konzerten begrüßen sie „Hausbesetzer, Studenten, Mediendesigner, Agenturleute und manchmal sogar Schlipsträger“.

Vor allem diese Auftritte – laut, hysterisch und unberechenbar – sind es, die den Ruf der Mediengruppe begründet haben. Und den beiden Thirty-Somethings üble Nachrede einbrachten: So wird ihnen seit ihrem vor zwei Jahren erschienenen Debüt „Die ganze Kraft einer Kultur“ und dem darauf folgenden, vergleichsweise überraschenden Erfolg in Fankreisen ein übermäßiger Drogenkonsum nachgesagt. Selbst gute Bekannten erzählten sich von ihrem nachgerade märchenhaften Reichtum. Dabei können die beiden von der Musik „gerade mal so“ leben: „Weil wir nur zu zweit sind – und weil Berlin eine billige Stadt ist.“ Also doch wieder nur: Anti-Agenda-Pop von Leuten am Existenzminimum für Leute am Existenzminimum.

Die Mediengruppe Telekommander garantiert ihrem Publikum aber auch weiterhin eins: Fluchtoption, rein in einen hyperventilierenden Spaß, der alle prekären Sorgen und Nöte in Schweiß und Endorphinen auflöst. „Ein kleiner Widerstand ist durchgebrannt“, sprechsingen sie. Aber kann Popmusik, das bleibt schlussendlich die Frage, überhaupt politisches Potenzial entwickeln? Nein, antwortet Zwietnig, „Musik kann nur einen unterstützenden Charakter haben. Jede Revolution hatte ihre Liedermacher, aber die Liedermacher haben nicht die Revolution ausgelöst.“ Die Mediengruppe Telekommander steht bereit, diese Rolle der Begleitperson zu übernehmen – in dem Wissen, dass das mit der Revolution in naher Zukunft eh nicht klappen wird, die Nische, in der man sitzt, aber zum Überleben taugt.

THOMAS WINKLER

Mediengruppe Telekommander: „Näher am Menschen“ (Mute/EMI) 30. 5. im Postbahnhof