Weniger ist weniger

In dieser Woche eröffnet in Berlin endlich das erste Fernsehmuseum Deutschlands. Doch auch nach 20-jähriger Entwicklungszeit kann die „Deutsche Kinemathek“ nicht sorgenfrei arbeiten

Von Leif Kramp

In Berlin steht diese Woche ein vermeintliches medienpolitisches Happyend bevor: Am 1. Juni öffnet im Filmhaus am Potsdamer Platz unter Regie der Stiftung Deutsche Kinemathek das erste Fernsehmuseum Deutschlands seine Türen. Anlässlich der Eröffnung hat der Stiftungsrat erst kürzlich beschlossen, die Kinemathek umzubenennen. Das viel beschworene „House of Moving Images“ mit Film- und Fernsehmuseum unter einem Dach soll ab sofort „Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen“ heißen.

Damit wird vereint, was eigentlich nie zusammengehören sollte: Ursprünglich sollte mit der „Deutschen Mediathek“ in der Hauptstadt eine unabhängige Einrichtung entstehen, die Programmarchivalien aus der Rundfunkgeschichte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich macht. Doch die bis dato 20 Jahre währenden Planungen brachen mehr als einmal in sich zusammen. Ob all der Freude, dass es dank des beherzten Eingreifens der Kinemathek nun doch etwas geben soll, was man besuchen, durchlaufen und bestaunen kann, wird eines übersehen: der Hörfunk. Das neue Museum hat sich nicht nur mit seinem Namen dem Fernsehen verschrieben. Die gleichberechtigte Thematisierung von Radiogeschichte ist schon lang vom Tisch.

Einsame Audio-Lounge

Die Vernachlässigung des Hörfunks ist ein Kompromiss von vielen, den Peter Paul Kubitz, Programmdirektor Fernsehen der Kinemathek, eingehen musste. Wenn, dann soll der Hörfunk allein „in der Entwicklung des Fernsehens“ gewürdigt werden, sagt Kubitz. Zwar ist eine so genannte Audio-Lounge fester Bestandteil des Raumkonzepts, doch wird der Besucher vergeblich danach suchen: Erst ab August, wenn die bereits laufende Sonderausstellung „Tor! Fußball und Fernsehen“ beendet ist, sollen einige ausgewählte Sendungen zum Abruf angeboten werden – eine Geste, mehr nicht.

Angesichts der übrigen Probleme wirkt die Vernachlässigung des Hörfunks aber wie Makulatur: Es kriselt bei den Finanzen, immer noch. Mehrmals scheiterte das Projekt in den vergangenen zwei Jahrzehnten, so oft, dass selbst die Beteiligten irgendwann aufgehört haben zu zählen. Dabei fehlte das Geld eigentlich nie, doch die Sender, die das Rückgrat der Einrichtung werden sollten, beließen es oft genug bei Unterstützungsbekundungen statt Zahlungen.

Auch das Land Berlin hat sich nicht mit Ruhm bekleckert: Jahrelang hielt es sich zurück, vertröstete die Mediathek-Planer, bis es zum offenen Streit kam. Doch die Kulturträumer ließen die Muskeln spielen, wollten nach Nordrhein-Westfalen abwandern, woraufhin Berlin schließlich einlenkte. An einem gemeinsamen Strang zog man trotzdem nicht: So bremste Berlin eine viel versprechende Förderinitiative auf Länderebene, später setzte es auf das falsche Geschäftsmodell. Wieder gab es Scherereien mit den Sendern, vor allem mit der ARD, die kein Gesellschafter werden wollte.

Bis heute hat sich am erratischen Engagement der Sender nichts geändert: Zwar sitzen mit Jürgen Thebrath vom WDR und Hans Jahnke vom ZDF zwei namhafte Sendervertreter im Fernsehbeirat des Museums. Doch finanziell steuern die Öffentlich-Rechtlichen nur Kleckerbeträge bei: Mit 60.000 Euro (ARD) bzw. 40.000 Euro (ZDF) pro Jahr liegt die Beteiligung sogar noch weit unter jenen Minimalsätzen, die vor nicht allzu langer Zeit in einem „Letter of Intend“ zugesagt wurden. Vor vier Jahren lag das Museumsbudget noch bei knapp 3,3 Millionen Euro. Allein die ARD wollte sich da noch mit zirka 300.000 Euro beteiligen.

Archivmaterial statt Geld

Mittlerweile hat die Museumsleitung offenbar resigniert: Direktor Kubitz spricht angesichts der derzeitigen Situation selbst nur noch von „symbolischen Beiträgen“ der Sender. Die Hauptlast tragen andere: Der Berliner Wasserbetrieb Veolia übernimmt jährlich 600.000 Euro, und das nur, weil sich der Mutterkonzern Vivendi schon vor sieben Jahren beim Kauf der Berliner Wasserwerke dazu verpflichtet hatte. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zahlt die Mietkosten in Höhe von 780.000 Euro.

Die Privatsender dagegen üben sich in kategorischer Zurückhaltung. RTL und ProSiebenSat.1 stellen zwar Archivmaterial zur Verfügung, aber zahlen wollen sie nicht. Dabei verspricht sich das Museum auch von dieser Seite harte Geldmittel: 30.000 Euro pro Jahr. Auch das wäre ein schmerzhafter Kompromiss: Vor vier Jahren wollten RTL und ProSiebenSat.1 freiwillig noch jeweils ca. 130.000 Euro jährlich beisteuern. Die Krise auf dem Werbemarkt hinterließ offenbar deutliche Spuren.

Zwar ist der Museumsbetrieb bis zum Jahr 2012 durch das Veolia-Engagement gesichert, doch zeigt sich schon jetzt, wie schwach das Museum auf der Brust ist: In der Programmgalerie, in der wichtige Archivalien der Fernsehgeschichte bereitstehen sollen, werden viele Stücke fehlen, weil zu wenig Geld für den Rechteerwerb da ist. Obwohl die Verwertungsgesellschaften vor Jahren grundsätzliche Bereitschaft für eine pauschale Rechteabgeltung gezeigt hatten, wurde nicht in diese Richtung verhandelt – ungeachtet der immer stärkeren Position der Produzenten gegenüber den Sendern, will sich das Museum nicht im Klein-Klein individueller Rechteverhandlungen verlieren.

Welche Folgen das haben kann, zeigt sich schon jetzt: Ein Straßenfeger von 1960 wird nur deswegen fehlen, weil bloß einer der vielen Rechteinhaber für die Vorführlizenz etwas mehr als nur einen symbolischen Betrag haben wollte. Der Titel des Films: „Gentlemen bitten zur Kasse“.