LESERINNENBRIEFE :
Das Ende der Kunst
■ betr.: „Kunst? Kann das weg?“, taz vom 19. 11. 13
Die Frage, ob die Kunst weg kann, hat sich von selbst erledigt! Mir scheint es, als ob Harold Rosenberg bestätigt würde: „Bezüglich ihrer traditionellen Funktionen verlor die Kunst weitgehend den Grund zu existieren“, wie er bereits 1973 in seinem Buch „Discovering the Present“ schrieb. Und weiter: „Ein Priestertum von Kunsthistorikern und -kritikern verpflichtet sich, die Kunst gegen seine Praktiker zu schützen. Heute wäre es richtig zu sagen, dass die Maler für die Kunstkritiker malen. In den vergangenen zwanzig Jahren haben Kritiker nicht gezögert öffentlich zu sagen, dass Kritik interessanter und intellektuell tiefer ist als Literatur oder Kunst. Malerei erreichte fast den Punkt, in welchem sie als Kunst allein dadurch existiert, was über sie gesagt wird.
Der australische Kunsthistoriker Robert Hughes schrieb bereits 1981 in seinem Buch „The Shock of the New“: „Zum Ende der 1970er Jahre wurde der Vielfalt der Gesten, die Kunst genannt werden könnte, im Hinblick auf die historische Notwendigkeit, auf der die Gestaltungskraft der Avantgarde basierte, der Gnadenstoß versetzt.“
Donald Kuspit schrieb 2004 in seinem Buch „The End of Art“: „Offensichtlich sind Kunst, ästhetische Kontemplation, Schönheit, Ewigkeit, Freiheit als Erfahrung begrifflich passé in einer Welt relativer Werte und technologischer Notwendigkeit. Das Beste, worauf die Kunst hoffen kann […], ist, ein aktuelles, berichtenswertes, soziales Ereignis zu werden.“
Aber die Betrachter der Kunst sehen die zeitgenössische Kunst hauptsächlich entweder als Sensation oder Provokation und Irritation. Wie gehen wir mit Kunst um? Die Leute haben gelernt, Kultur zu konsumieren, ohne das Verständnis, was eigentlich Kunst ist. Heutzutage gibt es entweder Kunst-Events oder Kunst-Versteigerungen. Mit dem Aufkommen der Konsumgesellschaft wird die Kunst selbst zur Ware. Die Citibank hatte sogar einen Werbeslogan: „The acquisition of art is itself an art“ (Ankauf von Kunst ist Kunst an sich). Die Firma Artprice veröffentlicht sogar jährlich Tabellen der teuersten Künstler wie Schlagertabellen. IGOR FODOR, München
Ein logisches russisches „njet“
■ betr.: „Du bleibst, Brüderchen!“, taz vom 23. 11. 13
Dass Russland verhindert, dass die Ukraine sich an die Europäische Gemeinschaft assoziiert, wundert mich nicht. Viel erstaunlicher war es, dass nicht nur die osteuropäischen Staaten, sondern auch Staaten der ehemaligen Sowjetunion wie die baltischen Staaten sich problemlos an die EG ankoppeln konnten.
Doch dann kam so ein tumber amerikanischer Präsident wie George W. Bush, der sich nicht nur in die Konflikte der Kaukasusstaaten einmischte, sondern auch noch Raketenbasen, die angeblich gegen den Iran gerichtet sein sollen, an der russisch-polnischen Grenze aufstellte. So muss Putin befürchten, dass, wenn die Ukraine zum Westen driftet, an die russische-ukrainische Grenze ebenfalls Raketen gestellt werden könnten. Diese wären dann weniger als 400 Kilometer von Moskau entfernt. So entspricht es nur der Logik, wenn ein weiteres Abdriften ehemaliger sowjetischer Staaten in Richtung Westen mit einem russischen njet belegt wird.
Es liegt also jetzt an den USA, wieder Vertrauen zu schaffen, am besten, wenn die Raketenbasen in Polen wieder abgebaut werden. DANIEL KAUFMANN, Cölbe
Alltagshandeln infrage stellen
■ betr.: „Wir könnten alle mehr tun“, taz vom 16. 11. 13
Ganz stumm wird man angesichts des Elends der von den Taifunschäden betroffenen Menschen auf den Philippinen. Auch weil inzwischen unstrittig ist, dass unser energieintensiver Lebensstil und die daraus resultierende Klimaerwärmung solche Katastrophen verstärkt. Die Rezepte dagegen sind bekannt: weniger Autofahren und Fliegen, klimaschonend ernähren (vegetarisch und bio), sparsamer und nachhaltiger konsumieren. Ob die grauenhaften Bilder dazu beitragen, nicht nur wachstumsbesessene Politiker nachdenklich zu stimmen, sondern auch unser persönliches alltägliches Handeln infrage zu stellen? STEFAN BERG, Hamburg
Mehr Daten für Taten gefordert
■ betr.: „Mehr Arbeit – und mehr Armut“, taz vom 27. 11. 13
Einfach nicht zur Kenntnis nehmen, das ist die politische Strategie zum Thema Armut. Dass seit Harz IV (ähnlich mit gesetzlichem Mindestlohn) die Voraussetzung auch für rasant wachsende Altersarmut geschaffen wird, zeigte am 26. November die Tagung des Landesseniorenbeirates im Käte-Tresenreuter-Haus: Seit 2009 hat sich die Anzahl der Grundsicherungsempfangenden in Berlin mehr als verdoppelt! Und nicht wenige nehmen die ihnen zustehende Grundsicherung oder -aufstockung nicht in Anspruch, weil die Antragstellung zu kompliziert ist oder zu Unrecht befürchtet wird, dass Kinder belastet werden könnten. Alte haben kaum eine Chance, ihre Einkommenslage nachhaltig zu verbessern.
Berlin veröffentlicht viele Statistiken, aber keine, die das Thema Armut und schon gar nicht Altersarmut in allen Aspekten betrachtet. Dazu passt, dass der Antrag auf eine Wohnungslosenstatistik gerade abgeschmettert wurde im Abgeordnetenhaus – kann Kältehilfe da bedarfsdeckend geplant werden? Daten für Taten und eine integrierte Armuts- und Sozialberichterstattung forderten darum unter anderem die Tagungsteilnehmer, damit Handlungsspielräume für alle Beteiligten sichtbar werden.
ELKE SCHILLING, SeniorInnenvertretung Berlin-Mitte