: Zwischen Kritik und Sehnsucht
AUSSTELLUNG „futureSHOCK?! Buntes Bremen“ zeigt in der Spedition Arbeiten von etwa 70 Jugendlichen zu den Themen kulturelle Vielfalt, Integration und Diskriminierung
Gregor Straube
VON JENS LALOIRE
Wenn über das Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen diskutiert wird, hört man immerzu die gleichen Stimmen: Politiker, Wissenschaftler, Migrationsexperten, Skeptiker und Befürworter. Stets sind es erwachsene Frauen wie Männer, die den Ist-Zustand analysieren und sich in Prognosen für die nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahre versuchen. Eher selten vernimmt man in der Öffentlichkeit die Stimmen derjenigen, die letztlich diese Zukunft gestalten werden: die Jugendlichen. Den Erwachsenen von morgen bereits heute eine Stimme zu geben, ist die Idee von „futureSHOCK?! Buntes Bremen“. Das Projekt hat etwa 70 Bremer Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren einen Raum eröffnet, ihre Sichtweisen auf ein Zusammenleben in Vielfalt künstlerisch zum Ausdruck zu bringen.
„Mein Anliegen ist es, den Jugendlichen eine Möglichkeit zu geben, sich zu artikulieren“, sagt Gregor Straube, der Initiator und Leiter von „futureSHOCK?!“. Bereits im vergangenen Jahr hat Straube ein schulübergreifendes Projekt zum Thema Ökologie durchgeführt. In diesem Jahr konnte er jeweils eine Klasse aus den Schulzentren Bördestraße und Waller Ring gewinnen sowie jugendliche Besucher des Jugend- und Beratungszentrums Walle und des Vereins „Es geht los“. In jeweils dreitägigen Workshops haben die Mädchen und Jungs sich mit den Themen Vielfalt, Integration und Diskriminierung auseinandergesetzt und ihre Erfahrungen wie Vorstellungen künstlerisch verarbeitet.
Entstanden sind dabei groß- wie kleinformatige Bilder, farbenreiche Pappen und Collagen, die mit Ausschnitten aus Hochglanzmagazinen zusammengeklebt wurden. Spraydosen und Schablonen kamen dabei genauso zum Einsatz wie Bunt-, Filz- oder Glitzerstifte. In vielen Motiven soll die Farbvielfalt die Buntheit der Gesellschaft repräsentieren. Auch eindeutige politische Statements – wie „gegen Nazis!“ oder „0 % Rassismus, 100 % Courage“ – finden sich auf manchen Bildern. Alles in allem fällt beim Blick auf die Motive jedoch ins Auge, dass die jungen Laienkünstler sich keineswegs ausschließlich mit kultureller Vielfalt, Migration und Rassismus beschäftigt haben – Ausschluss und Diskriminierung erleben viele Menschen schließlich Tag für Tag über Konsumartikel. Ob man dazugehört oder nicht, entscheidet sich nicht allein anhand der Herkunft oder der Hautfarbe, sondern auch an der Frage, ob man sich bestimmte Markenartikel, ein Smartphone oder coole Accessoires leisten kann. So finden sich allerlei aus Zeitschriften herausgeschnittene Abbildungen von idealisierten Models und begehrten Konsumartikeln in den Collagen.
Dabei ist von außen meist nicht leicht zu beurteilen, ob das Werk einen kritischen Blick auf die Ausschlussmechanismen des Kapitalismus werfen soll oder schlicht und einfach die Sehnsucht ausdrückt, den Idealen zu entsprechen und die abgebildeten Artikel zu besitzen.
Die weite Auslegung des Themas ist durchaus im Sinne von Projektleiter Straube. „Ich will nicht von oben diktieren, was die Jugendlichen verstehen sollen. Ich will das möglichst frei lassen“, sagt der studierte Sozialwissenschaftler, der als Selbstständiger vor allem im freien soziokulturellen Umfeld und in der Jugendbildung arbeitet. Ihm ist es wichtig herauszufinden, was die jungen Leute tatsächlich bewegt, wenn sie sich mit diesem Bereich auseinandersetzen. Dass die Jugendlichen sich für die vorgegebenen Themen interessieren und begeistern können, habe sich, so Straube, in den dreitägigen Workshops deutlich gezeigt. Durchgeführt wurden diese jedoch nicht von ihm, sondern von der freien Künstlerin Patricia Lambertus und dem freien Musiker und Mediator Benjamin Kuhlmann.
Straube und sein Team werden auch dabei sein, wenn bei einem Podiumsgespräch zu der Ausstellung die jungen Künstlerinnen und Künstler im Kulturzentrum Schlachthof auf erwachsene Experten für Migration und Integration treffen. Es ist zu hoffen, dass die Jugendlichen dort im Gespräch mit verschiedenen Vertretern aus Behörden und Nichtregierungsorganisationen ebenfalls zu Wort kommen und gehört werden.
■ Vernissage: Donnerstag, 17 Uhr, Spedition am Güterbahnhof, Ausstellung bis 22. 12., Do–So, 15–19 Uhr; Podiumsgespräch: Mittwoch, 11. 12., Schlachthof