: In der Schwebe
ANKOMMEN Dieses Jahr stellen so viele Flüchtlinge einen Asylantrag in Berlin wie lange nicht. Als Erstes erhalten sie einen unfreiwilligen Ämter-Crashkurs: von Moabit nach Spandau und zurück. Die taz ist einmal mitgegangen
■ LAGeSo, Landesamt für Gesellschaft und Soziales – schon der Name ist eine Einführung ins deutsche Amtswesen. Wer in das System aufgenommen wird, muss dessen Sprache lernen. Die LAGeSo-Abteilung, wo Flüchtlinge sich quasi in Deutschland zur Stelle melden, heißt ZAA, „Zentrale Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber“. Dort bekommen alle ein wichtiges Dokument: die BüMA, die „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender“.
■ Mit der BüMA müssen sie binnen zwei Wochen zur Berliner Filiale des BAMF, des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Dort werden sie erkennungsdienstlich erfasst und bekommen vor allem einen Termin zur Anhörung. Auf deren Basis entscheidet das BAMF, wer bleiben darf oder nicht. Die Flüchtlinge müssen auch noch zur Gesundheitsuntersuchung und wieder ins LAGeSo, diesmal zur ZLA, der „Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber“. Dort wird ihnen für die Dauer des Asylverfahrens geholfen, materielle Dinge zu organisieren, Arzttermine, Klamotten, eine Wohnung.
■ Kein Wunder, dass die Liste mit Beratungsangeboten, die der Berliner Flüchtlingsrat zusammengestellt hat, 87 Seiten lang ist. (aha)
VON ANNE HAEMING FOTOS ROLF ZÖLLNER
Ein Mann liegt da und schläft. Ausgestreckt auf der roten Holzbank im Eingang zum Landesamt für Gesundheit und Soziales in Moabit. Es ist 8 Uhr morgens. Die, die hierher kommen, haben oft eine wochenlange Reise hinter sich. Erschöpft, am Ende einer Flucht. Angekommen sind sie noch lange nicht: Im „Lageso“ beginnt ein Leben im Wartestand.
Der betongraue Klotz mit elf Stockwerken ist der erste Ort, den viele Flüchtlinge von Berlin sehen – willkommen, bienvenue, welcome. Die Schleuser setzen sie oft ein paar Straßen weiter aus und drücken ihnen einen Zettel in die Hand: „Turmstraße 21“. Sie müssen an den Bänken vorbei, biegen in den Warteraum ein, stapeln ihr Gepäck in einer Ecke. Und ziehen eine Nummer.
„So wenig war lange nicht los“, sagt Hannelore Thoelldte, als sie um die lange Theke biegt. „Hallo, Herr Krishnamurthy!“, ruft sie einem Kollegen zu, der Anmeldebögen ausgibt. Wie er haben viele, die hier arbeiten, einen Migrationshintergrund, es gibt dem Amt etwas überraschend Weltoffenes. Thoelldte, Sozialarbeiterin, arbeitet seit 20 Jahren hier und kümmert sich unter anderem darum, dass genügend Dolmetscher zur Verfügung stehen.
Die helfen dann, die ganzen Meldebögen auszufüllen und die Anträge auf Sozialhilfe. 15 Seiten, zwei Anlagen, ein Foto müssen die Flüchtlinge auch noch schnell machen, vor den zwei Automaten wartet eine Schlange. Die Infos im Meldebogen entscheiden, ob jemand hierbleiben darf oder sofort in ein anderes Bundesland geschickt wird. Es gibt ein System – „EASY“ heißt es, ausgerechnet – das die Flüchtlinge proportional auf die Länder verteilt. Es basiert auf dem „Königsteiner Schlüssel“, der etwa besagt, dass fünf Prozent aus den aktuellen Top-Ten-Herkunftsländern nach Berlin kommen. Für andere Nationalitäten gilt: Sie müssen in die Außenstelle, wo die jeweiligen Länderexperten sitzen – für Tunesier ist das etwa Chemnitz.
Sayyid Al-Omar* wird vorerst in Berlin bleiben können. Der irakische Wissenschaftler ist Sunnit, er sitzt mit seiner Familie im Nebenraum und füllt die Anmeldung aus. Er will einen Folgeantrag, also einen zweiten Asylantrag, stellen. Früher hat er hier einmal studiert, jetzt ist er ein grauhaariger Mann mit einer jungen Familie. Die Tochter sei im Sommer entführt worden, erzählt er, sie zahlten Lösegeld. Schon davor habe eine Miliz die Familie überfallen. „Mir ist egal, welcher Religion jemand angehört“, sagt Al-Omar. „Ich wäre am liebsten im Irak geblieben, aber das ist doch kein Leben.“ Auf dem Weg nach draußen fängt er an zu schluchzen, der Sohn reicht ihm wortlos ein Taschentuch.
Hannelore Thoelldte trägt Turnschuhe, um den Hals hängt ein Band mit riesigem Schlüsselbund, den ganzen Tag pendelt sie zwischen drittem Stock und Erdgeschoss. „Ich habe gelernt, nichts zu sehr an mich heranzulassen“, sagt sie. „Ich muss klar denken können, um zu helfen.“ Wenn sie Urlaub nimmt, überlegt sie genau, wohin sie fährt. Zumindest nicht in Länder, wo Menschen Dinge geschehen, die sie zur Flucht veranlassen.
Zurzeit hat das Lageso ein typisches Behördenproblem: In den Nullerjahren waren die Flüchtlingszahlen zurückgegangen, die Verwaltung wurde heruntergefahren. Dann kam der Arabische Frühling, für Serbien, Bosnien und den Rest von Exjugoslawien wurde die Visumspflicht abgeschafft. Putsch in Ägypten, Bürgerkrieg in Syrien. Beantragten 2007 gerade einmal 1.149 Menschen Asyl in Berlin, waren es bis Ende Oktober dieses Jahr fast sechsmal so viele.
Gar kein Vergleich
Seit zwei Monaten öffnet das Lageso schon um 7 Uhr, um alles bearbeiten zu können. „Trotzdem kein Vergleich zu Anfang der Neunziger“, sagt Thoelldte. Damals tobte der Jugoslawienkrieg, Zehntausende kamen. Sie erzählt vom 24-Stunden-Betrieb, sieben Tage die Woche. Trotzdem: Die Mitarbeiter kommen auch jetzt kaum hinterher.
Weit oben, im zehnten Stock, hat Lageso-Präsident Franz Allert sein Büro. Von hier aus schaut man über halb Berlin. Hätte man einen Röntgenblick, es wäre der ideale Ort, um leerstehende Gebäude aufzuspüren. Allert könnte so etwas gebrauchen. Denn es kann derzeit sein, dass das Lageso schon um 10 Uhr alle freien Betten verteilt hat. „Seit Sommer müssen wir zum ersten Mal Menschen sagen, sie sollen bei Bekannten übernachten“, räumt Allert ein. Die Unterkünfte sind überbelegt, und dass der Wohnungsmarkt hart umkämpft ist, spürt man auch hier.
„Tausend Plätze sind für mich gar nichts“, sagt Allert. Also „beschlagnahmt“ er immer wieder mal ein Gebäude, andere werden ausgebaut. In Pankow, Charlottenburg, Köpenick, 500 Plätze hier, 600 da, man kooperiert mit Hostels, Maklern, Wohnungsbaugesellschaften. „Es gibt eigentlich niemanden, mit dem wir nicht zusammenarbeiten“, sagt Allert. Aber solange es keinen Vertrag gibt, rückt er die Gebäudelisten nicht raus, nicht mal dem Senat. Es bleibe am Ende doch nicht vertraulich. Dann schnellten die Preise nach oben und die rechte Szene mache mobil: „Es ist schließlich meine Verantwortung und meine Aufgabe, den Flüchtlingen zu helfen.“
Wobei das Lageso viele Aufgaben hat. Es prüft die Wasserqualität von Seen, es stellt Schwerbehindertenausweise aus. Medizinstudenten melden sich hier zur Famulatur an. Die Hilfe für Asylbewerber macht gerade einmal zehn Prozent der Tätigkeiten aus. „Manchmal fühlt es sich an, als seien es 120“, sagt Allert. Der öffentliche Druck ist gestiegen, gerade seit der Debatte um die Lampedusa-Flüchtlinge, für die Berlin rechtlich gar nicht zuständig ist. Vergangenes Jahr gab das Lageso 39 Millionen Euro aus. Dieses Jahr waren es bis Oktober schon 60 Millionen.
Jetzt gibt es obendrein auch noch ein Raumproblem: Die 80 für Flüchtlinge zuständigen Mitarbeiter müssen aufgestockt werden, allein, es fehlt an Raum. Das Amt, das händeringend Unterkünfte sucht, ist selbst überfüllt. „Wir verdichten“, sagt Allert knapp. Über seinem Schreibtisch hängt ein Ölgemälde, geliehen aus der Berliner Kunstsammlung, die sein Amt ebenfalls verwaltet. Es zeigt den Potsdamer Platz in den Neunzigerjahren, könnte aber auch Allerts Alltag versinnbildlichen: alles eine einzige Baustelle.
Am Arsch von Berlin
Der Bus fährt weg. An der Kreuzung im Spandauer Gewerbegebiet steht nur noch ein junger Mann mit dicker Wollmütze. Er dreht sich langsam um die eigene Achse, blickt auf die Schreberkolonie „Kleckersdorf“ und einen Imbiss, in der Hand hält er eine Klarsichthülle mit Behördenpapieren. Er sucht etwas. Auf den Unterlagen ist eine Stelle mit Textmarker pink umrandet. „Askanierring 106“ steht da und die BVG-Verbindung: Bus 136 von Rathaus Spandau bis Havelschanze, dann 350 Meter zu Fuß.
Unter Hausnummer 106 befindet sich die Berliner Filiale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), wo Flüchtlinge ihren Asylantrag stellen müssen. Es ist der Ort gewordene Behördenakt. Wer es hierher geschafft hat, wird erst einmal in der Stadt bleiben. Früher war das Amt mal am Rosenthaler Platz, dann in der Kreuzberger Kochstraße, dann ein paar Jahre im Lageso-Gebäude. Und jetzt am Arsch von Berlin.
Menschen mit Klarsichthüllen in den Händen drängen sich bis in den Vorraum, es ist stickig. Sie warten, werden irgendwann aufgerufen. Gehen durch die Glastür, die nur von einer Seite geöffnet werden kann, vorbei an Fotos vom Grand Canyon. „Die Menschen haben Tausende Kilometer zurückgelegt, da ist der Weg von der Turmstraße hierher ein Klacks“, sagt Wolfgang Meier, der Leiter der Bamf-Filiale. Er ist der Reporterin vorausgegangen, bleibt vor einem Büro stehen und erklärt fast feierlich: „Hier wird aus einem Asylsuchenden ein Antragsteller.“
Meier ist Jurist, er macht den Job seit 20 Jahren. Er liebe seinen Beruf, sagt er, weil er hier so viel vom aktuellen Weltgeschehen mitbekomme. Aber das Büro, vor dem er steht, ist eben doch nichts weiter als eine Amtsstube. Hier geht das Prozedere von vorne los: Die Asylsuchenden geben Namen, Alter, Herkunftsland an, wieder wird ein Foto gemacht, diesmal für den Aufenthaltsberechtigungsschein. Das ist eine Art Pass aus grünem Papier. Er bedeutet, dass sie bleiben dürfen, solange ihr Verfahren läuft.
Branka Jovanovič hat die Knipserei schon hinter sich, jetzt sind die Fingerabdrücke dran. Ihr Mann und die zwei Jungs sitzen im Wartesaal. Den Reißverschluss der Winterjacke mit der Kunstfell-Kapuze hat die 32-Jährige aufgemacht. „Ich habe heute Geburtstag, und was mache ich?“ Branka stöhnt ein bisschen, sie spricht fließend Deutsch. Sie versucht es gerade zum dritten Mal. Vor ein paar Tagen habe ein Mann die vier aus Serbien mit dem Auto hergebracht, erzählt sie. Für 250 Euro pro Person. Geld, das sie nicht hat. Sie kennt Berlin. Sie kam 1991 zum ersten Mal hierher, da war sie zehn und Jugoslawien zerfiel im Krieg. „Ich bin in Hellersdorf aufgewachsen“, erzählt sie, nach 15 Jahren sei ihre Familie ausgewiesen worden und freiwillig gegangen.
Jovanovič hat keinen Schulabschluss, keine Ausbildung, „ich kann weder Serbisch lesen noch schreiben“, sagt sie. Als ihr Mann arbeitslos wurde, ließen sie überall anschreiben. „Dann sagten die Leute: Entweder ihr zahlt 2.000 Euro oder wir fackeln euer Haus ab.“ Sie flohen 2010 nach Deutschland, der Asylantrag wurde abgelehnt, sie gingen zurück, tauchten bei einer Tante unter. Inzwischen, so Branka, würden sie von drei Familien bedroht, die ihr Geld wollten, das Haus sei längst abgebrannt, sie hätten kein Dach überm Kopf. Darum nun ein neuer Versuch.
Um in sein eigenes Büro zu kommen, muss Wolfgang Meier im Treppenhaus eine schwere blaue Gittertür aufschließen. „Das sieht martialisch aus, ist aber als Schutz gedacht für die, die oben gerade ihre Anhörung haben“, sagt er. Die ist schließlich der alles entscheidende Teil des Asylverfahrens. Dieser Termin ist so wichtig, dass Vereine spezielle Beratungen anbieten, um die Flüchtlinge vorzubereiten. Die müssen erzählen, was ihnen passiert ist, wieso sie hergekommen sind und wie, was sie erwartet, wenn sie zurückmüssten. Die Fragen stellen „Entscheider“, 20 arbeiten zurzeit in Spandau, vor einem Jahr waren es noch acht. Eine Anhörung kann anderthalb Stunden dauern oder einen Tag, bis die Informationen ausgewertet sind, dauert es.
„Wenn wir Zweifel haben, recherchieren wir weiter“, erklärt Meier. In jedem zweiten seiner Sätze tauchen Kürzel für Gesetzestexte auf, „der 16a“, „der 60-eins-bis-sieben“, „Dublin II“, „der drei-a-bis-f“, Normen, die definieren, wer in Deutschland bleiben darf – weil das Asylrecht greift, der Flüchtlingsschutz oder nur ein Abschiebeverbot.
Aus Meiers Fenster sieht man auf ein barackenartiges Gebäude, drumherum ein mächtiger Zaun, Überwachungskameras. „Das gehört dem Deutschen Historischen Museum“, sagt Meier. „Die lagern dort ihre Exponate.“
■ Das BAMF – „Bamf“ sagen alle, nicht „Be-ah-em-eff“ –, wird dieses Jahr 60 Jahre alt. Bei der Gründung 1953 hieß das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch „Bundesdienststelle für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge“ – es musste betont werden, dass es nicht um inländische Flüchtlinge ging. „Der Asylbegriff hat sich geändert“, sagte BAMF-Präsident Manfred Schmidt, als er im Oktober die Spandauer Filiale besuchte. Nichtstaatliche Verfolgung habe früher keine Rolle gespielt. Sie betreffe oft Homosexuelle oder Christen oder Frauen. Immer mehr Menschen verließen ihr Land aus Gründen, die „nicht in unser Asylverfahren passen“. Er fände gut, wenn in den Ländern mehr über legale Zuwanderungsmöglichkeiten informiert würde. Meiers Vision: „dass die Menschen das Geld, das sie sonst den Schleppern zahlen, auf diese Weise in die Arbeitsplatzsuche hier investieren“.
■ Überhaupt ist 2013 ein Jahr der Jubiläen: Ende November vor 40 Jahren trat in Deutschland der Anwerbestopp für Gastarbeiter in Kraft, und vor 20 Jahren erschien das vom Migrationsforscher Klaus Bade initiierte „Manifest der 60“, das erstmals prominent forderte, „Deutschland als Einwanderungsland“ zu begreifen. (aha)
Die rote Reißzwecke
Von einem Lager hat die Flüchtlingsunterkunft, die zufällig vis-à-vis des Bamf liegt, wenig. Ein Weg mit altem Kopfsteinpflaster schlängelt sich von der Straße weg. „Refugium Askanierring“ steht auf einem Schild. Refugium, Zufluchtsort. Der Pfeil deutet auf ein großes, gelbes Backsteinhaus, vor dem Eingang ein Berg blauer Müllsäcke voller Laub. Das Lageso hat das Gebäude vor gut einem Jahr vorübergehend als Erstaufnahmestätte angemietet – betrieben wird es von der Arbeiter Wohlfahrt. Drinnen ist es hell, die Gänge sind breit und hoch. Am Empfang blubbert ein Aquarium, daneben hängt eine Pinnwand mit handgeschriebenen Zimmernummern. Steckt unter einer eine rote Reißzwecke, ist wichtige Post da: vom Bund. Es könnte der Bescheid sein.
Im Speisesaal sitzt Raza Nirwani. Er ist 27, aus Pakistan und wenn er grinst, sieht man seine Zahnlücke. „Ich bin seit einem Monat und zehn Tagen hier“, sagt er. „Davor war ich drei Jahre in Griechenland.“ Zuhause habe eine Familie seinen Vater erpresst: Entweder er übergebe sein Land oder seine beiden Söhne würden getötet. 3.000 Euro haben Nirwani und sein Bruder Schleusern gezahlt. „Sie haben uns mit dem Auto immer bis zur Grenze gefahren, dann liefen wir zu Fuß auf die andere Seite.“ Normalerweise wäre Nirwani zurück nach Griechenland geschickt worden, weil er dort zuerst EU-Boden betreten hat. Aber Flüchtlinge, die aus Griechenland kommen, dürfen zurzeit hier Asyl beantragen, eine Ausnahmeregelung. Es war quasi Glück, dass es Griechenland gerade so schlecht geht. Nirwani will Deutsch lernen, arbeiten. „Solange mein Leben sicher ist, bin ich glücklich“, sagt er.
Einfach so
Auf dem Flur wird laut gekichert. Die Schule ist aus, Mädchen mit rosafarbenen Ranzen springen herum. Mittendrin Heimleiter Keller. Wie er lächelnd da steht, die Hände auf dem Rücken und die Brille auf der Nasenspitze, wirkt er wie ein Herbergsvater. Er ist seit Frühjahr hier, davor leitete er acht Jahre ein DRK-Heim. „Haben Sie die Laubsäcke gesehen?“, fragt er. „Das haben die Bewohner gemacht, einfach so. Es ist ein Geben und Nehmen.“
220 Menschen wohnen hier, fast 80 davon Kinder. Inzwischen wurden schon Büros in Schlafräume umgewandelt. Wen das Lageso hierher schickt, der habe Glück, heißt es. Besser als die Motardstraße, jene marode Spandauer Erstaufnahme, von der es dauernd heißt, sie würde bald geschlossen. Aber man weiß noch nicht, wohin mit den Menschen. Es komme vor, erzählt Keller, dass abends die Motardstraße anruft, weil Neue vor der Tür stehen und es keinen Platz gibt.
Im „Refugium Askanierring“ wohnt jeder fünfte schon länger als drei Monate. Nach dieser Frist müssten sie spätestens umziehen, in eine Wohnung, ein Heim mit mehr Privatsphäre. Aber es gibt keine Plätze. „Die Bewohner sind so viel Druck und struktureller Gewalt ausgesetzt“, sagt Keller, all die Behörden, Formulare, Anträge. „Ich will, dass sie hier trotzdem entspannte Situationen erleben können.“
Er zeigt auf ein Bild, das im Eingangsbereich hängt: ein Foto von Bertolt Brecht, die Jahreszahl 1943. Und ein Satz in Schreibmaschinenschrift: „Das Geschäft des Exilanten ist: hoffen!“
* Die Namen aller Asylbewerber sind geändert.