: Bordelle in der Passage de Clichy
VERBORGENE STADT Fotos von einer untergegangenen Welt: das nächtliche Paris des französisch-ungarischen Fotografen Brassaï
Als der Bildband „Nächtliches Paris“ 1932 erschien, machte es den Autor Brassaï in kürzester Zeit berühmt. Viele Fotos, wie das von der 70-jährigen Prostituierten „Bijou“ in einer Bar in Montparnasse sind seither fest ins kollektive Gedächtnis nicht nur der Franzosen eingeschrieben, denn Paris war in den 30er-Jahren ein Ort mit großer Anziehungskraft.
Und Brassaï zeigte Paris zum ersten Mal von einer Seite, die nichts mit dem touristischen Blick zu tun hatte und deshalb die Betrachter faszinierte, denn die Fotos machten das verrufene und das in versteckten Winkeln verborgene Paris sichtbar.
Bordelle in der Passage de Clichy, der von Clochards bevölkerte Säulengang der Börse, die Markthallen, Fotos, die ihren Zauber durch Menschen entfalten, über die sich in Anlehnung an ein lateinischen Palindrom sagen ließe, sie irren des nachts im Kreis umher und werden vom Feuer verzehrt.
„Paris de nuit“ erlebte zahlreiche Neuauflagen. 1935 erschien ein Nachfolgeband mit nächtlichen Fotos mit dem Titel „Voluptés de Paris“, der allerdings von Brassaï abgelehnt wurde, weil der Verleger ohne Absprache mit dem Autor das Buch in reißerischem Ton anpries. Nach langer Vorbereitungszeit, die nicht zuletzt der prüden Moral der Öffentlichkeit geschuldet war, kam dann „Le Paris secret des années 30“ heraus und wurde ein internationaler Erfolg.
Inzwischen wurden von der Witwe Brassaï Teile des Nachlasses dem französischen Staat vermacht und gelangten ins Centre Pompidou, ein weiterer Teil wurde versteigert. Gallimard beauftragte Sylvie Aubenas und Quentin Bajac mit der Herausgabe eines Buches, das die Entstehung der Nachtbilder Brassaïs und die Editionsgeschichte seiner Bücher beleuchtet, wobei den Herausgebern der Zugang zum Brassaï-Archiv aus ungenannten Gründen verwehrt blieb.
Unter dem Titel „Flaneur durch das nächtliche Paris“ ist das Buch nun auch auf deutsch in toller Aufmachung erschienen und enthält neben den Fotos aus den drei Bildbänden (bis auf die Aufnahmen aus den Opiumhöhlen, die Brassaï nicht veröffentlicht sehen wollte) auch bislang unbekannte Fotos. Die Editionsgeschichte der Herausgeber ist zwar etwas langatmig geraten, aber durch das Fotomaterial wird man mehr als entschädigt.
KLAUS BITTERMANN
■ Sylvie Aubenas, Quentin Bajac (Hg.): „Brassaï. Flaneur durch das nächtliche Paris“. Aus dem Französischen von M. Wolf. Schirmer/ Mosel, München 2013, 312 Seiten, 68 Euro