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Archiv-Artikel

Ein Reporter im Krieg

MYTHOS Er war ein junger, aufstrebender Journalist, der sich gern mächtige Feinde machte. Zuletzt arbeitete Michael Hastings an einem Porträt über den Chef der CIA. Dann fuhr er gegen einen Baum und starb. Ein Unfall?

Es kann kein Zufall sein, sind sich im Internet fast alle einig. Der Unfall geschieht auf einer geraden Strecke

VON BENJAMIN WALLACE

Am Ende seines Lebens geht es Michael Hastings wie vielen seiner Journalistenfreunde: Er fühlt sich von einem übermächtigen Staat bedrängt.

Im April 2013 sitzt Hastings auf einem Podium, das „Der Krieg gegen die Whistleblower: Freie Presse und der nationale Sicherheitsstaat“ heißt. Im Mai flucht er in einer Talkshow über die Regierung Obama, die „der Presse ganz klar den Krieg erklärt hat“. Die Presse, sagt er, müsse jetzt zurückschlagen: „Wir erklären euch den Krieg.“

Am 31. Mai verschickt er eine Nachricht über Twitter: „first they came for manning. Then Assange. Then fox. Then the ap.drake and the other whistle-blowers. Any nyt reporters too.“ Erst hätten sie sich Chelsea Manning geholt, die Wikileaks-Informantin, dann Julian Assange, den Wikileaks-Gründer, dann die Nachrichtenagentur AP, dann Thomas Drake, den ehemaligen NSA-Mitarbeiter, und die anderen Whistleblower. Schließlich selbst Reporter der New York Times.

Nach den NSA-Enthüllungen im Guardian und der Anklage Edward Snowdens wegen Spionage lässt es Hastings keine Ruhe, wie das US-Justizministerium auf den Fall reagiert. Sein letzter Beitrag für das Tech-Journalismus-Portal BuzzFeed, bei dem er angestellt ist, widmet sich der Frage „warum Demokraten so gerne Amerikaner ausspionieren“. Als er stirbt, arbeitet Hastings für das Magazin Rolling Stone gerade an einem Porträt über den CIA-Chef John Brennan.

Für den Rolling Stone hat er 2010 auch das Stück „The Runaway General“ geschrieben, das zur Folge hat, dass General Stanley McChrystal, der US-Oberbefehlshaber für Afghanistan, gefeuert wird. Es macht Hastings berühmt.

Obwohl er auf politische Großwildjagd geht, spielt Hastings die Konsequenzen gern herunter: „Immer wenn ich über Typen schrieb, deren Job es war zu töten“, sagt er einmal, „hat einer von denen für gewöhnlich gedroht, mich umzubringen.“

Mitte Juni allerdings hat Hastings wirklich Angst. Hubschrauber sieht man zwar oft über Hollywoods Hügeln. Aber, erzählt Hastings einer befreundeten Nachbarin: Es seien mehr als sonst. Er sei sich sicher, dass sie ihn verfolgten.

Am Samstag, den 15. Juni, ruft er seinen Kollegen Matt Farwell an, um ihn zu warnen: Es könne sein, dass sich das FBI bei ihm melde. Farwell ist beunruhigt. „Er war unglaublich vorsichtig am Telefon, ganz komisch, richtig seltsam“, sagt er.

Am 17. Juni schreibt Hastings an seine Kollegen bei BuzzFeed: „Das FBI verhört gerade meine engsten Freunde und Kollegen.“ Er sei hinter einer großen Geschichte her und müsse jetzt „eine Zeit lang abtauchen … Ich hoffe, wir sehen uns alle bald.“

„Er war extrem aufgewühlt“, sagt ein Bekannter.

Da Hastings mit Matt Farwell, der Hunderte Kilometer entfernt in Virginia lebt, weder per Mail noch am Telefon kommunizieren will, vereinbart Farwell ein Mittagessen mit einer Vertrauten in L.A. Sie soll ihm mitteilen, was Hastings beschäftigt.

Zum Mittagessen kommt es nicht mehr. Am 18. Juni um 4.20 Uhr schießt Hastings silberner Mercedes C250 über den Grünstreifen der Highland Avenue, kracht gegen eine Palme und explodiert. Die verkohlte Leiche des Insassen wird von einem Bestatter als John Doe 117 identifiziert, bis die Fingerabdrücke bestätigen, dass es sich um Michael Hastings handelt.

Sergeant Joe Biggs, den Hastings 2008 als Kriegsreporter in Afghanistan kennen lernte, hat da von seinem Freund seit Monaten nichts mehr gehört. Hastings hatte auch ihm per E-Mail seine Befürchtungen wegen des FBIs mitgeteilt. „Ich habe daraufhin versucht ihn anzurufen“, erzählt Biggs. „Ich hatte Angst um ihn. Das klang nicht nach ihm.“

Biggs schreibt an Hastings Arbeitgeber BuzzFeed. „Das hat überhaupt nichts gebracht“, sagt er. „Per Mail habe ich dort immer wieder nachgefragt: ‚Was machen wir jetzt? Ich bin kein Journalist. Ich kenne mich nicht aus mit so was.‘ Die haben einfach nicht geantwortet.“ Biggs wendet sich an andere Medien. „Wenn Hastings Mail nicht veröffentlicht wird“, sagt er – Hastings ist jetzt zwei Wochen tot, und gemeldet hat sich einzig ein Lokalreporter –, „denkt jeder, das wäre ein Unfall gewesen.“

Hastings stirbt, wie er lebt. Er hat etwas von Jude Law, blaue Augen, verlottert, gut aussehend – und er ist schnell in allem, was er tut. Raucht Kette, ruft nachts bei Leuten an, redet rasant, haut Texte raus. Für den ersten Entwurf seines McChrystal-Artikels braucht er 48 Stunden. „Der Typ war echt anstrengend“, sagt sein Kollege Farwell. „Er vibrierte nur so vor Energie. Tief in seinem Innern war so viel Wut und Traurigkeit. Wahrscheinlich wegen all der Heuchelei, die er erlebt hat.“

Die öffentliche Trauer nach Michael Hastings Tod ist überwältigend. Trotz seiner Schroffheit, vielleicht auch deswegen, war er außergewöhnlich beliebt. BuzzFeed schreibt ein Stipendium in seinem Namen aus. Im September wird ihm posthum der Norman Mailer Award für junge Journalisten verliehen.

Vor allem aber wächst die Begeisterung unter Menschen, die Hastings nicht kannten – und die ihn als tapfere Ausnahmeerscheinung sehen: In Umfragen schneiden Journalisten längst schlechter ab als Chiropraktiker. Er kommt den Leuten so einzigartig vor, dass sie nicht glauben wollen, dass sein Tod ein Zufall gewesen sein soll.

Es kann kein Zufall sein, fast alle Kommentatoren im Internet sind da einig. Der Unfall geschieht auf einer geraden Strecke. Und ein Mercedes explodiert doch nicht. Den Motorblock findet man fast dreißig Meter vom Auto entfernt, eine Entfernung, die sich einige Mitglieder von Chat-Foren nur mit einer Art „Autobombe“ erklären können. Widersprüchliche Statements der Polizei tun ihr Übriges: Eine Sprecherin der Polizei von L.A. sagt der Los Angeles Times zunächst, es gebe „keine Hinweise auf Manipulation“, bevor der zuständige Kommissar feststellt, man könne nichts ausschließen. Auf Twitter, Reddit und Webseiten wie InfoWars und Prison Planet wird über „die offizielle Erzählung“ spekuliert, über Ablenkungsmanöver und Inszenierungen.

Wikileaks schürt die Diskussionen mit einem Tweet vom 19. Juni weiter: „Bei Michael Hastings Tod gibt es eine besorgniserregende bisher nicht öffentliche Verflechtung. Mehr Details später.“ Hastings hat eine seiner besorgten Mails an die Wikileaks-Anwältin Jennifer Robinson geschickt. Auch ein Dementi des FBI, in solchen Fällen unüblich, nährt die Spekulationen.

Und Richard Clarke, ein ehemaliger Sicherheitskoordinator der USA, erzählt der Huffington Post, „dass man eine Verschwörungstheorie erst aufgibt, wenn wirklich bewiesen ist, dass sie nicht stimmt“. Im Falle Michael Hastings würden die öffentlich verfügbaren Informationen einen Cyber-Angriff auf das Auto nahelegen. Inside Edition fragt: „Unfall oder Mord?“

Ständiger Verdacht, Misstrauen gegenüber dem Staat – das gehörte zu Hastings Leben. Wenn das Justizministerium heimlich die Telefonverbindungen von AP-Reportern prüft und die NSA sämtliche Online-Metadaten absaugt, warum sollte die Regierung nicht auch private Anrufe abhören? Völlig absurd schien das nicht. In Hastings Umfeld erzählten manche, sie klebten aus Angst vor Spionage die Kameraaugen an ihrem Laptop ab. „Wenn ich mit ihm über Drohnen sprach“, erzählt der Filmemacher Robert Greenwald, „sagte ich: ‚Sicherlich hören uns gerade einige Leute beim Telefonieren zu, Michael, wir sprechen schließlich von Drohnen, von Pakistan.“

Hastings war sich völlig bewusst, dass er eine Rolle spielte: die des polternden Reporters, der in die Welt geschickt wurde, um zu bezeugen, dass sich Menschen dort wie Wilde oder Idioten aufführen. „Er kannte die Literatur und die Mythen der Kriegskorrespondenten sehr genau“, sagt ein Freund. In seinem zweiten Buch „The Operators“, „gibt es im Grunde zwei Bewusstseinsebenen. Auf der einen identifiziert er sich mit den Kriegsjunkies, auf der anderen kritisiert er diese Haltung.“

Und auch wenn die meisten, die ihm nahestanden, bezweifeln, dass Michael Hastings sich umbringen wollte, so gestehen sie doch, dass er seinen Abschied nicht besser hätte planen können: Plötzlich und gewaltsam wird da ein Mann, der zu viel wusste, beseitigt – und hinterlässt eine ganze Ansammlung mysteriöser Fragen. Haben die Mächtigen ihn entsorgt?

Der Ort, an dem er starb, ist zu einem Schrein geworden

Sechs Wochen nach Hastings Tod zieht sich immer noch schwarzer Ruß voll winziger Glassplitter um den Fuß des Baumes, gegen den er fuhr. Der Ort ist zu einem Heiligenschrein geworden. Vierzig US-Flaggen ragen aus dem Boden, neben Blumen, Kerzen und Botschaften wie „RIP MICHAEL HASTINGS“ oder „THE EYES OF THE WORLD ARE WATCHING NOW“.

Jemand hat ein bemaltes Porträt an einen Baum gepinnt, das Hastings mit blutüberströmtem Gesicht zeigt. Darauf steht: „Man muss dich gar nicht gekannt haben, um zu wissen, was in Wahrheit passiert ist.“ Ein rotes Cabriolet hält neben der Unfallstelle. Eine Frau sitzt drin. „Glauben Sie, dass Hastings ermordet wurde?“, fragt sie. „Ich schon.“

Und Ruby Cramer: Sie hatte bei BuzzFeed als Hastings’ Praktikantin angefangen. Als Reporterin wurde sie später seine Kollegin. „Es wirkt vielleicht ein bisschen krank“, sagt sie, „aber manchmal denke ich: Irgendwie ist das Michaels letzte Story.“

Im Januar stirbt Cramers Vater. Sie schreibt eine Trauerrede, bittet einige Kollegen um Feedback. Die meisten ermutigen sie, das sei doch alles perfekt. Hastings schlägt ihr Verbesserungen vor. „Michael sagte: ‚Hey, Kleine, das ist gut. Ich hätte da trotzdem ein paar Vorschläge, wie man es noch ein bisschen anspitzen könnte.‘ Es war sein Lieblingswort: ‚Du musst es anspitzen‘.“

Von Anfang an arbeitet Hastings als Journalist mit dem Gefühl, er habe schon zu viel Zeit verschwendet. Als Student am Connecticut College feiert er zu viel und studiert zu wenig. Er bricht das Jahr vorzeitig ab. Nach seinem Wechsel an die New York University hört er im Jahr 2000 auf zu trinken. Er schließt mit magna cum laude ab.

Der Krieg und die Nachrichten faszinieren ihn seit seiner Kindheit. In der vierten Klasse schwänzt er den Unterricht, um sich eine Rede von General Norman Schwarzkopf anzuhören, dem Befehlshaber der Koalitionstruppen im Zweiten Golfkrieg. Am 11. September läuft Michael Hastings 95 Blocks. Er will den brennenden Türmen so nah wie möglich kommen.

Als Journalist beeindruckt er seine Kollegen, weil er hart arbeitet, idealistisch ist, mutig, und weil er seine Arbeit ernst nimmt. „Ich will der beste Investigativreporter meiner Generation werden“, sagt er einem Freund. Manchmal hat sein Ehrgeiz romantische Züge: Er hört stundenlang Hunter S. Thompsons „The Gonzo Tapes“. Thompson prägte den Begriff des „Gonzo“-Journalismus – und der ist experimentell, er bezieht den Reporter ein, oft macht er ihn zur zentralen Figur einer Geschichte.

Früh begreift Hastings, dass Rebellion ein Wert an sich ist. Mit 17, seine Familie ist gerade umgezogen, betritt er die kleine katholische Schule in Burlington mit einem Plan: „Wir gehören ab jetzt zu den Coolen“, sagt er. So erinnert sich sein jüngerer Bruder Jeff. „Sie werden uns alle mögen. Ich hab da schon eine Idee.“ Mike färbt seine Haare weiß wie der Rapper Eminem, eine Spur Grün darin. Jeff färbt seine cranberryfarben. Mit dem Auto ihres Vaters fahren sie in der Schule vor, ein Ghetto-Blaster auf der Rückbank beschallt die Umgebung. Mike sitzt am Steuer.

Die Schulleitung befiehlt ihnen, sich die Haare zu entfärben, aber ein Jahr später ist Hastings Klassensprecher.

Er legt sich gern mit Autoritätspersonen an. Als er eine Valentinstagparty über das Lautsprechersystem der Schule als „fickedelisch“ bezeichnet, darf er zur Strafe nicht an einem Schulausflug nach Lateinamerika teilnehmen. Auch das Amt des Schülersprechers ist er los. „Er hielt das für kompletten Bullshit“, sagt Jeff. „War es ja auch.“

Als Praktikant beim Magazin Newsweek, wo er später eingestellt wird, arbeitet er bis in die Nacht, trägt Mantel und Krawatte. An den Wochenenden liest er Stücke von Newsweeks besten Reportern. 18 Monate nach seiner Einstellung landet seine erste Geschichte auf dem Titel. Es geht um Diamanten.

Ein Jahr lang bemüht er sich darum, in den Irak geschickt zu werden. Der Verlag ermutigt ihn nicht. Seinen Helm und seine Schutzweste muss er am Ende selbst bezahlen. „2005 konnte man mit Irak-Geschichten nicht mehr berühmt werden, es war außerdem verdammt gefährlich, aber er wollte da unbedingt hin“, sagt ein Freund.

Das Buch, das Hastings über seine Zeit in der Grünen Zone Bagdads schreibt – „I Lost My Love in Baghdad“ –, wird zur Blaupause seiner späteren Karriere. Nicht nur wegen des Tons – er schildert seine persönlichsten Erinnerungen und gibt gleichzeitig den allwissenden Erzähler –, sondern auch, weil die Diskussionen, die es auslöst, mindestens so viel mit Hastings wie mit dem Inhalt zu tun haben.

Auch intime Mails sind gut für eine Story

Die Liebe aus dem Buchtitel ist Hastings Freundin Andi Parhamovich. Sie war ihm nach Bagdad gefolgt und hatte einen Job beim Nationalen Institut für Demokratie angenommen. Im Januar 2007 wird ein Autokonvoi von sunnitischen Aufständischen angegriffen. Sie stirbt.

Drei Wochen nach ihrem Tod hält Hastings Agent ein 131-seitiges Exposé in Händen, das er nach fünf Wochen für einen Vorschuss von angeblich 500.000 Dollar verkauft. Dass das alles so schnell geht und Hastings auch noch intime Mails und SMS, die er mit Parhamovich ausgetauscht hat, im Buch ausbreitet, verärgert einige im Verlagswesen. Nachdem der Observer sein Exposé gedruckt hat, erhält Hastings Post von einem Anwalt: Darin stünden Dinge, die Parhamovichs Familie noch gar nicht wisse. Etwa, dass Hastings ein Buch über ihre Tochter schreibe.

Hastings, wieder zurück in Bagdad, scheint das sportlich zu nehmen. In einer Mail an einen Freund schreibt er: „Vergiss die Penner, ich laufe hier gerade die Haifa Street entlang.“

Sein Buch wird von einigen gut besprochen, von anderen vernichtet. Ein Teil der Erlöse geht an eine Stiftung für Andi Parhamovich. Hastings ist zutiefst verletzt, als George Packer, ein Journalist, den er bewundert, in einem Verriss den „peinlichen Titel“, den „Klischeenebel“ und die „Dialoge, bei denen man sich heimlich aus dem Raum schleichen möchte“, zerlegt.

Zurück in den USA wird Hastings oft von Trauer überwältigt.

Mit Katie Connoly, einer Newsweek-Kollegin, fährt er einmal sechs Stunden zu einer Veranstaltung der Republikaner. „Wir haben ununterbrochen geredet“, erzählt sie, „er hat mir alles über Andi und seine Erlebnisse im Irak erzählt. Es war eine unglaublich intensive Fahrt. Er weinte. Ich weinte. So begann unsere Freundschaft.“

Man hätte es verstanden, wenn Hastings von da an nie wieder über Kriege berichtet hätte. Aber es zog ihn immer wieder hin, auch im Dezember 2010. Für den Rolling Stone fliegt er nach Afghanistan.

Er ist süchtig nach gefährlichen Situationen

Weil er außerhalb von Kandahar ein Interview mit einem Warlord in Aussicht hat, ignoriert er die Warnung seines Bodyguards und fährt alleine los. Die Sache geht gut aus. Sie hätte genauso gut schiefgehen können. „Man begibt sich nicht in solche Situationen, man findet sich darin wieder“, schreibt Hastings darüber. „Ich weiß, dass das riskant ist. Ich weiß, dass es nicht gesund ist. Ich weiß, dass ich süchtig bin. Aber ich weiß auch, dass das gerade schon wieder nicht der richtige Moment ist, um endlich mit dem Klebstoffschnüffeln aufzuhören …“

Als Jeff Hastings, der in einer Infanterieeinheit im Irak und in Afghanistan gekämpft hat, diesen Bericht seines Bruders liest, ist er geschockt. „Das ist extrem. Vielleicht hat das auch Andis Tod ausgelöst. Er hat sich schwerste Vorwürfe gemacht. Als sie starb, dachte ich auch: ‚Mike oder ich hätten sterben sollen. Sie hätte nicht sterben dürfen.‘“

Hastings Ruhm wächst nach einem weiteren Trip in ein Kriegsgebiet. Anfang 2010 bietet er dem Rolling Stone eine Geschichte über Afghanistan an. Arbeitstitel: „Der vergessene Krieg“. Er will über den dortigen Oberbefehlshaber schreiben, General Stanley McChrystal. Wieder einmal schafft es Hastings, sich in ein Zentrum der Macht einzuschleusen. Schon im April 2010 ist er in Paris dabei, als McChrystal und seine engsten Vertrauten ihre Epauletten abnehmen und sich in einem Irish Pub betrinken. Er hört, wie McChrystals Berater den US-Vizepräsidenten Joe Biden als „Bite me“ verhöhnt und wie McChrystal selbst über Diplomaten wie Richard Holbrooke lästert.

In seiner Geschichte „The Runaway General“ spinnt Hastings aus diesen Kneipengesprächen eine These: Die militärische Führung kommandiere einen Höllenritt. Ihre Antiterrorstrategie habe den Afghanistankrieg in ein Armageddon verwandelt.

Am Tag nach Erscheinen des Textes bestellt Präsident Obama McChrystal ein und nimmt dessen Rücktritt entgegen. Hastings, zu dem Zeitpunkt noch in Kandahar, sagt einem Interviewer, die Reaktion schockiere ihn.

Das stimmt, sagen die, die ihn kennen. Er habe das Stück für eine große Magazingeschichte gehalten, mehr nicht. „Keiner wird ihm glauben, dass er nicht davon ausging, dass McChrystal gefeuert würde“, sagt ein Freund, „aber es ist die Wahrheit. Er hat es so oft gesagt, immer wieder. Und er meinte das vollkommen ernst.“

Journalistenkollegen sind nach diesem Scoop skeptisch. Kann ein Reporter, der in die Welt oberster Militärs vordringt, wirklich solche Momente miterleben? CNN.com fragt: „Runaway general, or runaway Reporter?“

Die Washington Post zitiert anonyme Quellen aus McChrystals Umfeld, die behaupten, Hastings habe Absprachen verletzt und Material verwendet, das nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen sei.

„Michael Hastings hat diesem Land nie so gedient wie McChrystal das getan hat“, sagt eine Fernsehmoderatorin. Hastings habe ein paar beiläufigen Kneipenbemerkungen viel zu viel Bedeutung beigemessen, kritisiert ein anderer prominenter Kollege.

Die Regierung lässt die Angelegenheit zweimal untersuchen. Die erste Untersuchung, im Auftrag der Armee, beschuldigt einen McChrystal-Berater schwer, stellt Hastings Arbeit aber nicht infrage. Die zweite Untersuchung, im Auftrag des Verteidigungsministeriums, befindet, „nicht alle Ereignisse trugen sich so zu, wie es der Artikel behauptet“ – was etwas zugespitzt zu sein scheint. Im Grunde ist es vor allem so: An manche Dinge, die Hastings beschreibt, will sich im Nachhinein niemand erinnern. Die New York Times übernimmt den Pentagon-Befund trotzdem und titelt: „Pentagon-Untersuchung spricht McChrystal und seine Berater frei“.

Selbst nach Hastings Tod hält sich der Eindruck, dass etwas mit diesem Scoop nicht gestimmt haben könne. Hastings Nachruf in der New York Times zieht Beschwerden und eine ungewöhnliche Antwort der Leserobfrau der Zeitung nach sich, die feststellt, der Text habe der Pentagon-Untersuchung so viel Platz eingeräumt, dass „der Nachruf die Legitimität seiner Arbeit herabmindert“.

Hastings gewinnt für die Geschichte den renommierten Polk Award. Mindestens genauso wie dieser Preis bringt die Reaktion der Kollegen seine Karriere voran: Er erhält einen Vertrag beim Rolling Stone und tritt in der Late-Night-Show Colbert Report auf. Eine Woche nach Veröffentlichung des Artikels gibt er das Exposé für ein Buch ab, für das ihm ein Verlag ein Angebot im hohen sechsstelligen Bereich gemacht haben soll.

Vor seinem McChrystal-Text hat Hastings seine Kollegen gelegentlich geringgeschätzt. Jetzt wird die Verachtung der Branche zum Kern seiner beruflichen Identität.

Je mehr Hastings für den Text angegriffen wird, desto mehr verinnerlicht er als Selbstbild, was andere über ihn erzählen. Von nun an sieht er sich als einen, der die Wahrheit sagt, der die Mächtigen herausfordert: eine aggressive Bulldogge unter lahmen Schoßhündchen. Da ist die Frage, ob seine Geschichte über den „Runaway General“ neben ein paar personellen Veränderungen überhaupt etwas bewegt hat, dann auch gar nicht mehr so wichtig. McChrystals Nachfolger verfolgt in Afghanistan eine ganz ähnliche Strategie.

Es geht Hastings um etwas Grundsätzliches. Ihn ärgert die Kungelei der Kollegen mit Politikern, ihr Hang, sich auf die Entmachteten zu stürzen – und die Mächtigen zu verschonen. So tritt er in den folgenden Jahren auch in Interviews auf. „Der Journalist Michael Hastings sucht die Wahrheit“, steht dann etwa in Psychology Today.

Hastings legt sich mit dem Weißen Haus an

Im Sommer 2012 berichtet Hastings für das Onlineportal BuzzFeed über die Obama-Kampagne. Kurz nachdem der Pressetross losgezogen ist, der den Präsidenten auf seinen Wahlkampftouren begleitet, legt er sich mit dem Weißen Haus an. Er macht einen inoffiziellen Umtrunk einfach öffentlich.

Dann liefert sich Hastings mit einer schwangeren Reporterin des Wall Street Journals, Laura Meckler, einen Schlagabtausch in drei Akten. Laut Hastings zieht Meckler während einer kleinen Audienz beim Präsidenten eine Obama-Puppe aus ihrer Tasche und verkündet mit quäkiger, den Präsidenten imitierenden Stimme, dass er die Interviewanfrage des Wall Street Journals annehme. Einen Tag später besteht Meckler darauf, dass all das „unter drei“ gewesen sei und nicht veröffentlicht werden dürfe. „Alles war ‚unter drei‘“, antwortet Hastings, „bis auf das, was du da abgezogen hast.“

Wochen danach, in einer Hotelbar in Las Vegas, soll Hastings Meckler mehreren Zeugen zufolge eine „Fotze“ genannt haben. Man habe ihn gewaltsam von ihr wegzerren müssen. Hastings entschuldigt sich, aber der Waffenstillstand hält nicht lange. Spätnachts, in einem Flugzeug voller Journalisten, unterhält sich Meckler mit einem Redakteur der New York Times über Zitierregeln. Hastings kniet sich dazu. „Was weißt du schon über ‚unter drei‘“, blafft Meckler in seine Richtung. „Immerhin arbeite ich nicht für Rupert fucking Murdoch“, ruft Hastings, dass es jeder an Bord hören kann. „Ich ziehe meine Entschuldigung hiermit offiziell zurück. Du bist wirklich eine Fotze.“

Hastings pflegt seine Marke. Als er einem Regierungssprecher vorschlägt, er solle zur Abwechslung mal keinen inhaltsleeren Schwachsinn antworten und jener per Mail zurückgibt, das Pentagon habe in einer offiziellen Untersuchung herausgefunden, dass Hastings ein „übles Arschloch“ sei, das sich mal „verpissen“ könne, will Hastings unbedingt, dass BuzzFeed diese Mails veröffentlicht. Er setzt sich auch durch, als er den Audio-Mitschnitt von einem seiner Zusammenstöße mit einem Obama-Berater veröffentlichen will. Eine CNN-Journalistin nennt er „Sprecherin des Pentagons“.

Hastings sagt einmal, manche Kollegen hätten ihn wie einen Aussätzigen behandelt. Ein halbes Dutzend Reporter aus dem Obama-Pressetross erzählt heute trotzdem, sie hätten ihn gemocht. „Er hat einfach das gemacht, was wir eigentlich alle tun sollten, was wir uns aber nicht trauen“, sagt einer von ihnen. „Wenn da so einer reinspaziert kommt, der sich partout nicht an die Regeln halten will, beschäftigt das erst mal alle, aber es bringt ihm auch Respekt ein.“

Trotz seiner Allüren kann Hastings schwer leugnen, dass er zum Establishment gehört. Der Rolling Stone ist längst kein Organ der Gegenöffentlichkeit mehr, BuzzFeed so Mainstream wie kaum eine andere Onlineplattform. 2011 heiratet Hastings außerdem Elise Jordan, eine Yale-Absolventin, die als Redenschreiberin für die ehemalige US-Außenministerin Condoleezza Rice gearbeitet hat. Zur Hochzeit kommen auch die Präsidentengattin Barbara Bush und ihre Enkelin Jenna.

Im Februar 2013 zieht Hastings nach Los Angeles. Für BuzzFeed soll er über Hollywood schreiben. In dem alternativen Milieu fühlt sich Hastings wohl. Bei einem Treffen im Haus des Regisseurs Oliver Stone lernt er den Vietnamveteranen und Friedensaktivisten Ron Kovic kennen und erzählt ihm, wie wichtig dessen Buch „Born on the Fourth of July“ für ihn gewesen ist. „Er wirkte ein bisschen angespannt“, sagt Stone, „was in unserer Kultur ja nichts Ungewöhnliches ist.“

Hastings lebt sich schnell ein in L.A., er fährt Skateboard, geht Boxen und least sich seinen Mercedes. Er steht unter Strom, wie immer. Neben BuzzFeed und dem Rolling Stone arbeitet er noch für eine Talkshow. Ständig schmiedet er neue Zukunftspläne. Eine Woche vor seinem Tod erzählt er, er stehe kurz davor, einen Deal abzuschließen – es gehe um ein Hollywood-Buch. Er hatte einen Rolling-Stone-Artikel zum Drehbuch umgeschrieben. Am Abend vor seinem Tod telefoniert er mit einem Kollegen und sagt, die Sache könne jetzt losgehen, er freue sich darauf.

Hubschrauber sieht man häufig über Hollywood. Aber jetzt sind es mehr als sonst

Es wundert sie nicht, dass Hastings so starb

Sein Kollege Matt Farwell denkt viel darüber nach, wie es Hastings vor seinem Tod wohl ergangen sein mag. Farwell war selbst in Afghanistan und litt danach unter posttraumatischen Belastungsstörungen. „Ich habe meinen Truck einmal irgendwo gegen krachen lassen, um endlich Ruhe zu finden“, sagt Farwell, um dann auf Hastings zu sprechen zu kommen: „Ich weiß, wie er drauf war. So war er nicht drauf.“ Jeff Hastings sieht das genauso: „Eines weiß ich ganz sicher: Er hat sich nicht umgebracht. Er wollte nicht sterben.“ Aber Jeff sagt auch etwas, das andere seiner Freunde fast wortgleich wiederholen: Es wundert sie nicht, dass Hastings so starb, wie er starb.

Auf der High School experimentiert Hastings noch mit Drogen. Auf dem College scheint er Bret Easton Ellis und Hunter S. Thompson zu wörtlich zu nehmen. Er trinkt, kifft, nimmt Kokain, Crack und das Amphetamin-Medikament Adderall. Als er vom College fliegt, zieht er zurück zu seinen Eltern in den Keller und arbeitet hinter der Kaffeetheke im Supermarkt. „Gleich nach dem ersten Jahr zu fliegen, ist hart“, sagt sein Bruder Jeff. „Gerade wenn du ehrgeizig bist und dich für talentiert hältst, holt dich das ziemlich runter, wenn du plötzlich wieder bei deinen Eltern wohnen musst.“

Hastings berichtet nie allzu detailliert von dieser Zeit, er spielt nur darauf an. Einmal schreibt er etwa darüber, wie er „im Knast landete, nur mit Boxershorts, einem blauen Sakko, einem Paar Nikes und einer einstweiligen Verfügung“. Er erwähnt auch einen Entzug.

Die Sicht der Polizei von Burlington klingt da nüchterner, traurig fast. Gegen drei Uhr morgens, sein Vater hat ihn gerade aufgefordert, die Musik leiser zu stellen, fährt Hastings damals mit einem Wagen los und rammt einen Strommast. Als die Polizei zu ihnen nach Hause kommt, sagt der Vater, ein Arzt, Hastings sei psychisch krank. Hastings riecht nach Alkohol, streitet aber ab, dass er getrunken hat. „Er murmelte vor sich hin, lachte, wurde wütend, beleidigte seinen Vater und lief die ganze Zeit auf der Veranda herum“, schreibt ein Polizist in seinen Bericht. Einen Geschicklichkeitstest kriegt Hastings nicht mehr hin. Sie nehmen ihn mit. „Auf dem ganzen Weg zur Wache sang, brüllte und fluchte er.“

Kaum einen Monat später wird die Polizei in den Morgenstunden gerufen, weil sich jemand weigert, die Wohnung von Bekannten zu verlassen. Der diensthabende Polizist setzt Hastings mit Pfefferspray außer Gefecht – nachdem der ihn aufgefordert hatte, ihn doch zu erschießen. Auf dem Weg zur Wache hört Hastings nicht auf „zu drohen, er werde mich erschießen, er erzählte etwas von Bombendrohungen und dass er selbst erschossen werden würde“.

Im selben Monat wird Hastings noch einmal festgenommen, als er einen Plattenspieler klaut. Der Vater sagt der Polizei, seinem Sohn sei es in den vergangenen Monaten psychisch nicht gut gegangen. Es liege ein inoffizieller Befund vor, wonach er manisch-depressiv sei. Er stelle eine Gefährdung für sich selbst und andere dar.

All seine Freunde wissen, dass Hastings danach, mit 19, aufhört, Alkohol zu trinken. Noch zehn Jahre später, als er mit McChrystals Leuten in Paris ausgeht, lehnt er die Biere ab, die man ihm anbietet.

Während der Obama-Kampagne aber wird er rückfällig. „Man kann in diesem Pressetross eigentlich nicht nichts trinken“, sagt einer, der dabei war. „Du bist die ganze Zeit unterwegs. Abends empfängt dich dann die Hotelbar. Da ist es so einfach, einmal loszulassen.“ Hastings, der jetzt wieder das Amphetamin Adderall nimmt, beschreibt sich rückblickend als jemanden, den „die destruktive Kraft eines Wahlkampf-Rückfalls voll erwischt hatte“.

Am Abend nach der Wahl ruft Hastings gegen elf seine BuzzFeed-Kollegin Ruby Cramer an, um mit ihr das E-Book auszutüfteln, das er schreiben will. „Wir telefonierten zwei Stunden und ich merkte, dass er noch mit jemand anderem redete. Ich begriff, dass er an einer Bar saß und Tequila-Shots bestellte. Ich habe dann gesagt: ‚Michael, geh zurück auf dein Zimmer.‘“

Als der Druck der Wahlberichterstattung von ihm abfällt, hört er erneut auf zu trinken. Aber er raucht weiterhin Gras. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung hat er es sich verschreiben lassen.

Manche Freunde erleben ihn in den Wochen vor seinem Tod etwas aufgewühlt. Als Hastings bei einer Talkshow auftritt, sind seine Wangen eingefallen. Ob ihm das Leben in den USA banal vorkam, zurück aus dem Krieg, wird er gefragt. „Na klar“, sagt Hastings und lacht. „Ich vermisse das total. Deshalb versuche ich, das Gefühl hier wiederzubeleben, indem ich mich mit dem NSA-Kram beschäftige. Ich erzeuge dasselbe Drama, dieselbe Anspannung wie im Krieg.“

Während der letzten Tage ist Michael Hastings schwer beunruhigt. Er schreibt nicht nur Mails an BuzzFeed und Wikileaks, er erzählt auch, die Polizei sei bei ihm gewesen. Er besorgt sich eine neue Telefonnummer. Seine Familie fühlt sich an seine Drogeneskapaden mit 19 erinnert und fürchtet, er sei wieder rückfällig geworden. Sein älterer Bruder Jon fliegt nach L.A., um ihn zu einem Entzug zu überreden.

Seiner Nachbarin hat er gesagt, er habe Angst, sein Auto sei manipuliert worden. Jetzt fragt er seinen Bruder, ob sie sich die Unterseite des Mercedes anschauen könnten. Kurz nach Mitternacht bittet er die Nachbarin um ihren Volvo: Er müsse mal weg. Sie will ihm das Auto nicht leihen, irgendetwas stimme nicht damit. Kurz nach vier, sein Bruder Jon schläft, verlässt Hastings die Wohnung. Drei Stunden später stehen Polizisten mit der schrecklichen Nachricht vor der Tür.

Wenn man in einer Dienstagnacht um 4.15 Uhr die Strecke fährt, die Hastings in dieser Nacht fuhr, fällt einem auf, wie oft man auf dem Weg anhalten muss. Eine Ampel nach der anderen. Hat man auf achtzig Stundenkilometer beschleunigt, kommt schon die nächste Ampel, diesmal die am Santa Monica Boulevard. Über sie rast Hastings, was man in einem Video auf Youtube sehen, das zufällig jemand aufgenommen hat.

Fühlt er sich verfolgt? Von jemandem, der mit der Geschichte zu tun hat, an der er gerade dran ist? Für ein BuzzFeed-Stück beschäftigt er sich mit der Klatsch-Seite TMZ. Für den Rolling Stone arbeitet er am Porträt des CIA-Chefs, hat laut einem Kollegen aber bisher nichts Weltbewegendes herausgefunden. Ein Freund erwähnt, Hastings könne an einer Geschichte darüber gesessen haben, wie Wikileaks versucht, in Dänemark Asyl für Snowden auszuhandeln. Alles nicht unbedingt Sachen, aufgrund derer man jemanden umbringt.

Wenn man um 4.19 Uhr auf der Strecke, auf der Hastings gestorben ist, nach der Ampel am Santa Monica Boulevard wieder auf achtzig Stundenkilometer beschleunigt, wird der Grünstreifen breiter, die Straße hat nur noch zwei Spuren statt drei. Es wird dunkler, ein Wohngebiet beginnt. Um 4.20 Uhr erreicht man dann den Baum, an dem Michael Hastings gestorben ist, ein paar Meter von einer Pizzeria entfernt.

Kurz nachdem sein Buch „The Operators“ erschienen ist, fährt Hastings mit seiner Frau und einem Freund im Auto nach Vermont. Seine Frau bekommt eine Mail mit einer Rezension des Buches. Hastings bittet sie, laut vorzulesen.

„Vom ersten Satz an war klar, wo das hinführen würde“, sagt der Freund, der im Auto saß. „Das Lob wurde immer schwächer, man sah das böse Ende kommen.“ Hastings, stinksauer, sagt: „Gut, das reicht.“ Und nach einer kurzen Pause: „Okay, lies weiter.“ Während seine Frau vorliest, drückt er aufs Gas. „Mike, wir fahren fast 150“, ruft der Beifahrer. Hastings bremst gedankenverloren.

Im Obduktionsbericht wird auch Michael Hastings’ Bruder zitiert, der angibt, Hastings habe Dimethyltryptamine genommen, die psychoaktive Substanz der halluzinogenen Droge Ayahuasca, und dass er sich unbesiegbar gefühlt habe. Er habe behauptet, er könne vom Balkon springen und den Sprung überleben.

Im Blut konnten ihm Dimethyltryptamine allerdings nicht nachgewiesen werden. Stattdessen: THC und Amphetamine.

Weil sich Verschwörungstheoretiker in der Regel von Beweisen oder Wahrscheinlichkeiten nicht beeindrucken lassen, kann auch dieser Obduktionsbericht den Spekulationen über Hastings Tod kein Ende bereiten. Im Internet fragen manche immer noch: „Was ist mit der Flugbahn des Motorblocks?“

Sie schreiben:

„Sie wollen uns erzählen, er sei drogenabhängig und verrückt, nicht ganz bei Trost? Eine Schmutzkampagne der Regierung.“

„Ein geheimer Nachrichtendienst hatte es auf ihn abgesehen.“

Benjamin Wallace, 45, Reporter in New York, schreibt für die Washington Post und das New York Magazine. Für seinen Artikel über Michael Hastings führte er mehr als 50 Interviews