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Archiv-Artikel

Auch Hilfsorganisationen sind in Gefahr

Unfall der US-Militärs wird als weiterer Schritt zur Unglaubwürdigkeit gewertet, warnen Stiftungsvertreter

„Wir hatten ein Seminar für Führungskräfte. Dann begann stundenlanges Geballer“

BERLIN taz ■ Die Gewalt gegen Ausländer in Kabul wird sich sehr negativ auswirken, meint Rolf Paasch, der in der afghanischen Hauptstadt das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. Als ihn die taz gestern anrief, entfernten er und seine Mitarbeiter gerade das Schild der Stiftung, um ihr Gebäude für den Mob weniger einladend zu machen. „Wir hatten ein Seminar für Führungskräfte mit 30 Teilnehmern und 10 Mitarbeitern. Dann begann stundenlanges Geballer von mehreren Seiten“.

„Es macht die Arbeit viel schwerer, wenn man sich hier nicht mehr frei bewegen kann und das Misstrauen erntet, das undifferenziert angewendet wird auf Amerikaner, Friedenstruppen und Nichtregierungsorganisationen“, so Paasch.

Afghanen könnten das Verhalten des US-Konvois als weiteren Beleg für die Unglaubwürdigkeit der Amerikaner und damit des Westens werten – ganz egal, was letztlich passiert sei. Erst habe es 2005 Unruhen gegeben, nachdem Newsweek über einen von US-Militärs in eine Toilette geworfenen Koran berichtet hatte, danach den Karikaturenstreit und schließlich den Konflikt um den Konvertiten Abdul Rahman. Und jetzt das. „Die ersten Reaktionen aus dem Parlament lassen befürchten, dass manche daraus Kapital schlagen werden.“ Der Unfall sei eine Bagatelle, doch dies habe den Mob auf die Straße getrieben. „Wenn so was in New Orleans geht“, so Paasch, „dann auch hier.“ Das Verkehrsverhalten der US-Soldaten, die aufgrund durchaus berechtigter Gefahreneinschätzung möglichst schnell fahren, um kein Ziel abzugeben, sei für andere Ausländer kontraproduktiv.

„Die heftige Reaktion ist auch Ausdruck der Enttäuschung einiger Afghanen von der internationalen Gemeinschaft“, meint ein anderer Deutscher in Kabul, der nicht genannt werden möchte. Dies habe viele Afghanen dünnhäutig werden lassen und zu allgemeiner Verachtung von Ausländern geführt.

Die Hoffnungen, dass die US-amerikanischen Soldaten nun rücksichtsvoller würden, seien gering: „Schließlich gab es schon Zeiten, in denen US-Spezialkräfte an ihren Autos Schilder von Hilfsorganisationen benutzten und sich nicht um deren Proteste scherten.“

SVEN HANSEN