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Archiv-Artikel

Die heimliche Verkehrswende

Als Sachzwang getarnt verabschieden sich Bund und Land vom öffentlichen Personennahverkehr: Für Bus und Bahn ist kein Geld mehr da – und für den neuen Rhein-Ruhr-Express erst recht nicht

VON ANDREAS WYPUTTA

In Nordrhein-Westfalen wächst der Widerstand gegen die geplanten massiven Einsparungen bei Bus und Bahn. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sei „akut gefährdet“, warnt nicht nur die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Steigende Preise, längere Taktzeiten und komplett gestrichene Verbindungen fürchtet auch der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die Folge seien sinkende Fahrgastzahlen, so VDV-Präsident Günter Elste bei der Jahrestagung des Verbandes gestern in Bochum: Viele Bahnfahrer dürften wegen des schlechter werdenden Angebots wieder auf das Auto umsteigen.

Bereits am Montag hatten die Grünen gemeinsam mit den Umweltschutzverbänden BUND und NABU, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Fahrgastorganisation Pro Bahn auf den Bahnhöfen an Rhein und Ruhr gegen die Kürzungen protestiert. Bis 2010 will die Bundesregierung, die den ÖPNV bezuschusst, insgesamt 3,3 Milliarden Euro einsparen, davon entfielen rund 520 Millionen auf Nordrhein-Westfalen. Künftig könnte damit jede fünfte Bahnverbindung wegfallen.

Bis zur Unkenntlichkeit zusammengekürzt werden könnte auch das Prestigeprojekt der nordrhein-westfälischen Verkehrspolitik, der Rhein-Ruhr-Express (RRX). In Berliner Koalitionskreisen kursieren erste Ergebnisse einer vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie. Danach wird der RRX nicht wie geplant auf eigenen, neu verlegten Gleisen fahren. Die Taktfrequenz dürfte von zehn auf 20 Minuten gestreckt, die Höchstgeschwindigkeit von 200 auf 160 Stundenkilometer gesenkt werden. Selbst neue Waggons soll es nicht geben.

Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) lässt die schlechten Nachrichten aus Berlin nur vorsichtig dementieren. „In den vergangenen zwei Jahren ist alles mögliche irgendwann einmal diskutiert worden“, so Wittkes Sprecher Stephan Heuschen zur taz. Endgültig entschieden werde aber erst nach Fertigstellung der Machbarkeitsstudie, die ursprünglich schon Ende vergangenen Jahres veröffentlicht werden sollte. „Wir hoffen, dass dies im Juli soweit ist.“

Unterdessen wächst die Kritik an der Verkehrspolitik der Landesregierung weiter. CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers müsse mit seinem Verkehrsminister viel engagierter für den ÖPNV kämpfen, findet nicht nur Wittkes Vorgänger, der sozialdemokratische Verkehrsexperte Axel Horstmann (siehe Interview unten). Auch Oliver Keymis, verkehrspolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion, fürchtet, Wittke arbeite weiter an seiner zunächst angekündigten „ideologiefreien Verkehrspolitik“ – weg von der Schiene, hin zu mehr Autoverkehr. „Wittke handelt unaufrichtig“, sagt Keymis. „Hier in NRW gibt er den Kämpfer für Bus und Bahn, doch in Berlin signalisiert er Gesprächsbereitschaft.“