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Archiv-Artikel

Streit um den Doktorhut

PROMOTION In Schleswig-Holstein sollen bald auch Fachhochschulen Promotionen verleihen können. Die Universitäten wehren sich

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz fürchtet, Promotionen würden so „auf billigem Weg vergeben“

BERLIN taz | Sue Rossano studiert an der Fachhochschule (FH) Münster Science Marketing. Sie gehört zu einer der besten dort und wollte promovieren. Doch so einfach ist das nicht: In Deutschland dürfen nur Universitäten Promotionen verleihen. Also fragte ihr Professor einen Kollegen an der Universität Münster, ob der sie betreuen würde. Er sagte zu, schob allerdings ein „Aber“ nach. Rossano sollte noch ein paar Semester an der Uni nachholen. Jetzt ist sie auf dem Weg nach Amsterdam. Die Uni dort akzeptierte sie sofort als Doktorandin.

In Deutschland hängt die Frage, ob FH-AbsolventInnen einen Doktor machen können, eher von persönlichen Kontakten ab als von der Leistung. Nur wenn FH-Professoren auf Du und Du mit Uni-Kollegen seien, komme es zu einer Kooperation, so Micha Teuscher, Sprecher der Fachhochschulen bei der Hochschulenrektorenkonferenz (HRK). Der Bund unterstützt nur sieben Kooperationsprojekte zwischen FHs und Universitäten. Beworben hatten sich 90. Von den Ländern fördern nur Bayern, Ba-Wü, NRW und Niedersachsen die Zusammenarbeit.

Und selbst wenn es zu einer Kooperation kommt, ist der FH-Professor immer nur Zweitbetreuer. Die Prüfung wird an der Uni abgenommen, auch wenn an der FH geforscht wird, und nur die Uni darf ihren Stempel auf die Promotion drücken. Bis jetzt ist es den Fachhochschulen deshalb nicht möglich, eigenen Nachwuchs heranzuziehen. Dabei würden sie ihre guten Leute lieber behalten, als sie an die Universitäten abzugeben, sagen Fachhochschulprofessoren.

Diese „Bittstellerposition“ der FHs will die Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Waltraud Wende (parteilos), nun beenden. Ab 2015 sollen Studierende in Schleswig-Holstein gleich an ihrer FH promovieren können. Theoretisch gilt das auch für Verwaltungsfachhochschulen, die in der Regel kaum Forschung betreiben. Doch in der Praxis würden nur forschungsstarke FHs mit hohen Drittmitteln und vielen Veröffentlichungen ihr Promotionsrecht nutzen, glaubt Thomas Schunck vom Bildungsministerium Schleswig-Holstein. Befürchtungen, wie sie etwa HRK-Präsident Horst Hippler äußerte, Promotionen würden so „auf billigem Weg vergeben“, seien nicht berechtigt. Die Qualität der Dissertationen soll durch einen Promotionsausschuss gesichert werden. Darin sitzen zwei Uni-Professoren und ein FH-Prof, der aber nicht der Betreuer der Dissertation sein darf. Dadurch soll sichergestellt werden, dass es nicht darum geht, den Ruf einer FH durch möglichst viele Promotionen aufzupolieren.

Torsten Haase von der FH Flensburg freut sich auf die ersten Promotionen aus dem eigenen Haus. Endlich würde anerkannt, dass auch FHs exzellente Forschung betrieben. „Das ist ein historischer Schritt“, sagt er.

Die Universitäten wollen ihn jedoch nicht mitgehen. Ihre zentrale Rolle im Wissenschaftssystem würde dadurch unterlaufen, sagt der Präsident der Universität Kiel, Gerhard Fouquet. Die Unis verteidigen ihr Promotionsrecht, weil es das einzige ist, was sie von manchen FHs noch unterscheidet. Seit der Einführung des Bachelor- und Mastersystems sind nicht nur ihre Abschlüsse gleichwertig, auch die Universitäten selbst haben sich den FHs angenähert. Sie sind verschulter und praxisorientierter.

Der verstärkte Wettbewerb der letzten Jahre hat dazu geführt, dass das Hochschulsystem heute stärker ausdifferenziert ist, quer zur Trennlinie Uni oder Fachhochschule. Bei beiden haben sich Spitzeninstitute herausgebildet. So weist die nächste Forschungslandkarte des HRK 70 der 120 staatlichen FHs als sehr forschungsstark aus. Micha Teuscher will deshalb, dass Unversitäten und Fachhochschulen auch in gleicher Weise gefördert werden.

Bis jetzt bekommen Universitäten über die Hälfte mehr an staatlichen Zuschüssen für einen Studierenden. Begründung: Sie müssten neben der Lehre auch die Forschung finanzieren. Dabei kann eine erstklassige FH forschungsstärker sein als eine zweitrangige Uni. Besser ausgestattet sind aber die Unis. Sie sammelten 2010 fast 94 Prozent aller Drittmittel. Auch weil FHs von den meisten staatlichen Förderprogrammen ausgeschlossen sind, so Teuscher.

Zwar hat sich die staatliche Förderung von Fachhochschulen in den letzten Jahren vervierfacht, trotzdem bekamen sie 2011 nur 81,5 Millionen Euro. Insgesamt förderte der Bund die Hochschulen aber mit fast 4 Milliarden Euro. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sieht jedoch vor, die Förderung des Bundes für FHs auszubauen. Auch Kooperationen zwischen Unis und FHs bei Promotionen sollen gestärkt werden. In Schleswig-Holstein wird das ab 2015 nicht mehr nötig sein. LISA SCHNELL