Ein Chef fürs Glashaus

Christoph Lieben-Seutter, seit 1996 Leiter des Wiener Konzerthauses, wird Generalintendant der 2009 eröffnenden Hamburger Elbphilharmonie sowie der dortigen Laeisz-Musikhalle. Sein Job: Abgrenzen, Profilieren und Tausende neuer Zuhörer akquirieren

Es ist ein Posten, um den sich die Granden schon lange stritten: Der Generalintendant für die Hamburger Elbphilharmonie samt Laeiszhalle wurde am Dienstag gekürt. Vorangegangenen waren etliche Zu- und Absagen, auch ein beleidigter Abgang war dabei. Christoph Lieben-Seutter, Generalsekretär des Wiener Konzerthauses, hat den heiklen Posten schließlich bekommen.

Eine ziemliche Herausforderung, gerät die Elbphilharmonie – ein hoch über Hamburgs Hafen aufragender, Bau, der 2009 eröffnen soll – doch zusehends zum Renommierprojekt: Als der Sydney-Oper vergleichbares Wahrzeichen soll die Philharmonie, auf einen backsteinernen Kaispeicher gesetzt, weit ins All hinaus strahlen. Kostenpunkt: 196 Millionen Euro. Rund 2.200 Plätze wird der im Inneren verborgene, kunstvoll geschwungene Konzertsaal bergen; wie in einer Arena wird man dort Musik genießen können.

Die Schweizer Architekten Herzog & de Meuron haben den selbstbewussten Bau entworfen, für den sich die Hanseaten derart begeisterten, dass zunächst niemand fragte, ob man einen so großen Konzertsaal würde bespielen und füllen können. Denn einen Musiksaal gibt es in Hamburg bereits: die Laeiszhalle – ein reiner Vermietbetrieb zwar und oft nicht sonderlich gut besucht, aber eine nicht zu vernachlässigende Größe.

Beide Säle soll Christoph Lieben-Seutter ab 2009 bespielen, soll Zuschauer aller Altersgruppen und Schichten ins Konzert bewegen – möglichst auch solche, die noch nie einen Konzertsaal von innen sahen. Das sei sehr wohl möglich, sagt Hamburgs Kultursenatorin Karin von Welck konstant auf zweifelnde Fragen, schließlich habe die Kölner Philharmonie seinerzeit auch etliche neue Musikfans geboren. Schier grenzenlos scheint der Optimismus der Politiker angesichts der Aussicht, der Hansestadt ein neues Wahrzeichen zu bescheren.

Lieben-Seutter, der die beiden Säle auch programmatisch voneinander abgrenzen muss, eilt zudem der denkbar positivste Ruf voraus: Trotz stagnierender Subventionen hat er dem Wiener Konzerthaus seit 1996 stetig steigende Zuschauer- und Abo-Zahlen beschert. Sponsoren suchte und fand er stets. Und auch die programmatische Vielfalt habe unter Lieben-Seutters Ägide zugenommen, sagt ein Fachmann. Neben den obligatorischen klassischen Konzerten steht im Wiener Konzerthaus regelmäßig zeitgenössische Musik, Jazz, Weltmusik, selten sogar Pop auf dem Programm – willkommene, sinnvolle Abgrenzung gegenüber dem traditionelleren Wiener Musikverein.

Ein Argument, das wohl auch die Hamburger überzeugte – neben den unumstrittenen Management-Fähigkeiten des 1964 geborenen Wieners, der ursprünglich Informatik und Tontechnik studierte. Die Renovierung des Konzerthauses samt Anbau hat Lieben-Seutter bewerkstelligt – ein Unterfangen, an dem seine Vorgänger gescheitert waren.

Vor etwaigen Hamburger Querelen hat der verbindlich, aber stringent agierende Lieben-Seutter keine Angst. Für die Kooperation mit dem Chef der Laeiszhalle sowie Opern- und Philharmonieorchester-Chefin Simone Young dürfe er also gewappnet sein. Und die Sonderwünsche des NDR-Sinfonieorchesters, schon jetzt als „Orchestra in Residence“ für die Elbphilharmonie bestellt, wird er wohl problemlos parieren können.

Petra Schellen