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Archiv-Artikel

Zeitlos ist die Liebe zum Wähler

Johannes Kahrs ist SPD-Bundestagsabgeordneter aus Hamburg und lädt seine WählerInnen mehrfach im Jahr zu gemeinsamen Berlin-Reisen ein. Diese organisiert Kahrs nicht nur – er gestaltet sie. Aktiv und äußerst zielstrebig

Prenzlauer Berg, Berlin. Johannes Kahrs steigt schwungvoll in den Bus. Der SPD-Bundestagsabgeordnete aus Hamburg-Mitte begrüßt seine Gäste mit einem „Glück auf“. Fünfzig überwiegend ergraute Hanseaten hat Kahrs zu einer Berlin-Reise eingeladen. Ausgerüstet mit Wanderjacken und Stofftaschen, vollgestopft mit Vesper, hören sie dem Mann im Nadelstreifen-Dreiteiler zu. Statt Wolldecken verteilt der Busfahrer Kugelschreiber mit Kahrs Namen.

Kahrs legt los: Prenzlauer Berg, der Alex, Unter den Linden. „Links das Rote Rathaus mit dem eingepackten Turm. Der Amtssitz von Klaus Wowereit. Und das ist auch gut so.“ Lachen im Bus. „Johannes Kahrs ist der einzige Bundestagsabgeordnete in Hamburg, der sich so um seine Wähler kümmert“, sagt der Busfahrer. Berlin-Reisen wie diese macht Kahrs mehrmals im Jahr. Die Köpfe fliegen hin und her. „Daher kommt mein Hüftgold“, sagt Kahrs während der Bus an den Chocolatiers Fassbender & Rausch am Gendarmenmarkt vorbeifährt.

Ein kurzer Handschlag zur Begrüßung für den Genossen mit Schiffermütze und Pfeife, ein unverbindliches Wort. Führung durch den Bundestag. „Dicht zusammenbleiben“, rät Kahrs seinen Gästen, „damit sich keiner reinschmuggelt.“ Er klatscht in die Hände und zeigt nach vorne.

Paul-Löbe-Haus, Beton-Lichthof, so groß wie ein Fußballfeld. Kahrs zeigt hoch zum 7. Stock, hier hat er sein Büro. Ob wir das sehen dürfen, fragt ein Mann mit ver.di-Anstecker an der Cordjacke. „Büros sehen doch alle gleich aus“, winkt Kahrs ab.

Zurück ins Reichstagsgebäude. Johannes Kahrs stürzt vorneweg, seine Reisegruppe wie ein Schweif hinter ihm her. Wer schnell genug ist, darf eine Frage an seinen Abgeordneten stellen, die Antworten kommen wie aus der Pistole geschossen. Und schon rennt er weiter. Stopp vor dem Plenarsaal. Erklärt er noch schnell den „Hammelsprung“, einen Abstimmungsprozess, benannt nach einer griechischen Sage. Bleibt vor den freigelegte Schriftzügen russischer Soldaten von 1945 stehen. „Die sind authentisch. Sie können mich mitten in der Nacht aufwecken, dann erzähl ich ihnen das auch noch.“

Fragestunde im Sitzungssaal. Johannes Kahrs setzt sich auf den Tisch, baumelt mit den Beinen. Schnappt das Mikrofon und fordert: „Die Streber in die ersten Reihen.“ Was ein Abgeordneter verdient, wollen die Hamburger wissen. Wie sieht ihr Tagesablauf aus? Wo bleibt da Zeit für Privatleben? „Mit meiner besseren Hälfte habe ich abgemacht, einen Abend die Woche und ein Wochenende im Monat“, sagt Kahrs und zieht ein Bein an den Körper.

Eine Frau in der ersten Reihe stützt gelangweilt den Kopf in die Hände. Aber die Hamburger wollen noch mehr wissen: Warum gibt‘s bald eine Mehrwertsteuererhöhung? Wie sieht‘s mit den Gesundheitskosten aus? Und wie mit den Renten? Ende der Fragestunde. Noch einmal schnell alle hoch zur Reichstagskuppel. „Im Bus können wir noch 3,5 Stunden weiterdiskutieren. Da können Sie mir nicht weglaufen“, sagt Kahrs. Und er auch nicht. Ellen Köhrer