: Meine kleine Revolution
Nils Pickert, Rockträger
Als ich ein Kind war, waren Schimpf und Schande allgegenwärtig. Wir hatten Beleidigungen für alles, was in unsere angebliche Normalität hereinzubrechen drohte. Wir spuckten sie publikumswirksam in Gesichter und warteten auf Applaus. Immer in Angst vor der Stille, die nur bedeuten kann, dass jemand ansetzt, etwas Vernichtendes über uns zu sagen. Als ich Vater wurde, hatte man sich darauf verständigt, dass Schimpf und Schande eigentlich nicht in Ordnung sind. Eigentlich dürfte mir die Frage, ob ich nicht befürchte, dass mein fünfjähriger Sohn schwul werden könne, im vergangenen Jahr nicht Hunderte Male gestellt worden sein. Eigentlich. Aber Schimpf und Schande lauern noch immer. Sie wollen uns sagen, wer wir sind und was wir tun können. Sie erzählen einem kleinen Jungen, dass er keine Kleider und Röcke tragen darf, weil Mann das eben nicht tut. Doch irgendwann wird ihre Zeit abgelaufen sein. Bis dahin müssen wir uns noch gedulden. Und die Dinge, wenn nötig, rocken.