: Fernsehen mit Geschmack
Zukunftsarbeit: In einem kleinen Kölner Studio wird „Ehrensenf“ gedreht, eine tägliche Internetshow. Bei den Grimme Online Awards heute Abend hat die Satiresendung beste Chancen auf einen Preis
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Merken Sie sich bitte zunächst diese beiden Namen. Ehrensenf und Bauerfeind. Ganz leicht: Eh-ren-senf. Bau-er-feind. Weshalb? Gemach. Sie werden gleich verstehen. Allgemein kann man sagen, dass Sie diese Namen auf der Agenda haben sollten, weil sie Ihnen noch öfter begegnen werden. Und zwar nicht nur in diesem Text. Der übrigens vom Beginn der Zukunft handelt. Klingt überschwänglich? Kann sein. Ist aber so. Passen Sie auf.
Ehrensenf ist ein Anagramm von Fernsehen, also ein neues Wort aus dem alten Buchstabenmaterial. Ehrensenf steht nicht zwischen Ketchup und Mayonnaise im Supermarktregal, Ehrensenf ist eine Show. Aber nicht in der Glotze – im Computer. Denn sie wird extra fürs Internet produziert, in einem kleinen Studio in Köln. Und Bauerfeind – so heißt das Gesicht von Ehrensenf. Vorname: Katrin. Alter: 23. Beruf: Moderatorin. Besondere Merkmale: hat gefühlte fünfhundert Grimassen auf Lager – und führt einfach hinreißend durch die vierminütige Sendung.
Konkurrenz: mager
Jede Dosis Ehrensenf läuft nach dem selben Schema ab, in dessen Grenzen aber quasi alles möglich ist. Es beginnt, klar, mit einem Vorspann und endet mit Spieletipps. Dazwischen werden aktuelle Nachrichten satirisch überhöht und kuriose Fundstücke aus dem Internet präsentiert. Zum Beispiel eine Seite, auf der ein durchgeknallter New Yorker erzählt, wo es die größten Pizzen der Stadt gibt – „Wow, die sind größer als ein Kopf!“ Oder, in Anspielung auf den Kannibalen von Rothenburg, der Verweis auf Fotos einer Bäckerei, die Brot in Form von Körperteilen backt – „Sozusagen Fingerfood!“ Oder auch Nützliches: Eine Seite etwa, die animiert erklärt, was der Joint von gestern Abend eigentlich im Hirn anrichtet.
Das ist Ehrensenf. Und noch viel mehr. Katrin Bauerfeind ist sich dabei nicht zu schade, in jedwelches Kostüm zu schlüpfen. Bademantel. Dirndl. Wasauchimmer. Die 23-jährige Technikjournalismus-Studentin aus der Nähe von Stuttgart arbeitete zuvor beim Radio. Fernsehen ist neu für sie. Und anstrengend. In letzter Zeit wird meistens tief in der Nacht gedreht. Das Feedback aber ist gut. 20.000 Menschen klicken täglich rein. Auch über Spiegel Online, wo die Folgen seit einiger Zeit gezeigt werden.
Als Internetshow bedient Ehrensenf ein zukunftsweisendes Subgenre des Fernsehens, das Fernsehen on demand, was bedeutet, dass man nicht mehr punkt Viertel nach Acht vor der Glotze hocken muss, weil dann die Lieblingssendung läuft – man schaut sie einfach im Internet an. Tagsüber. Nachts. Wann man will. In diesem Format ist die Show noch recht allein auf dem deutschen Markt. Aber wohl nicht mehr lange, denn Internetfernsehen kann quasi jeder machen. Man nehme: Videokamera, Licht, Laptop, einen Internetzugang und eine Homepage.
Ideen sollte man freilich auch haben. Im Falle von Ehrensenf mangelt es daran definitiv nicht. Produziert wird die kleine Show von ravenrocker, einer Firma, hinter der sich Rainer Bender und Carola Sayer verbergen. Kennen gelernt haben sie sich bei der „Wochenshow“ auf Sat 1, durch die unter anderem Anke Engelke oder Bastian Pastewka zu Ruhm gelangten. Später arbeiteten Bender und Sayer für verschiedene Sender. Bender war unter anderem für das „Punchup“ diverser RTL-Sitcoms zuständig, ein supertoller Medienausdruck für das Feilen an Pointen. Jetzt jedenfalls schreibt er die Texte für Ehrensenf. Carola Sayer kommt gerade nicht dazu, sich kreativ einzumischen. Zu viel Arbeit. Im Studio, daheim, drumherum. Und dann noch die Presseanfragen, die wohl nicht abebben werden, denn heute Abend hat Ehrensenf beste Chancen, den Grimme Online Award abzuräumen. Kategorie: Unterhaltung. Konkurrenz: mager.
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