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Archiv-Artikel

Bananen, Broadway, FBI

Zu ihrem 100. Geburtstag zeigt 3sat die Doku „Josephine Baker – schwarze Diva in einer weißen Welt“ (20.15 Uhr)

Sehr leicht bekleidet schaukelt Josephine Baker auf einem Trapez in einem Käfig und stimmt eine Ballade an. Wie ein exotischer Vogel in einer Voliere, der gegen die Einsamkeit ansingt. „Sie war so würdevoll“, sagt einer der Kommentatoren in dem 3sat-Porträt über den ersten schwarzen Superstar.

Doch es stecken in diesem Bild aus dem Paris der späten Zwanziger auch schon sämtliche Widersprüche, die Bakers riskante Bühnenkunst geprägt haben: Sie wusste sich autonom als Objekt der Begierde ins Bild zu setzen und spiegelte in der exotistischen Selbstinszenierung ironisch den Blick ihres weißen Publikums in Europa. So nahm sie mit ihrem Schaffen die unterschiedlichsten Emanzipationsstrategien aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorweg.

Leider verzichtet Annette von Wangenheim in ihrer Dokumentation anlässlich Bakers 100. Geburtstags darauf, das verwegene ästhetische (und später auch politische) Kalkül der Künstlerin explizit aufzuschlüsseln. Affirmation und Unterwanderung lagen bei der Tänzerin und Sängerin, der Komikerin und Erotikdarstellerin zwangsweise dicht beisammen. Im Film wird das nur mit einem Verweis auf ihr berühmtes Bananenröckchen angedeutet: Dieses Accessoire des Primitiven war mit prallen Pappmachéfrüchten behangen, die als Phallussymbole taugten. Kolonialistisches Rollenspiel und feministisches Aufbegehren waren bei Baker eben nur schwer auseinander zu halten.

Nun taugt ein Jubiläums-45-Minüter wahrscheinlich auch wirklich nicht zur ästhetischen Komplettausdeutung – schon weil das Leben der Josephine Baker so reich an Abenteuern und Erfahrungen war: Als Teenager sorgte sie bereits mit entfesselten Charleston-Darbietungen am Broadway für Furore, bald nach ihrer Ankunft in Paris avancierte sie zum Star, arbeitete im Zweiten Weltkrieg für den französischen Geheimdienst, gründete in den Fünfzigern mit dem eigenen Vermögen ein Weltdorf, in dem Waisenkinder aller Hautfarben lebten, und engagierte sich schließlich in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. In dieser Zeit wurde sie übrigens ausgiebig vom FBI unter die Lupe genommen – wie zurzeit eine Ausstellung zur Rezeption von Bakers politischem Engagement im Deutschen Tanzarchiv Köln zeigt. Da muss sich die Doku sputen, um tatsächlich alle Stationen ihres schier unerschöpflichen Schaffens abzuhaken.

Am 9. April 1975, bei einer Show zum 50. Jahrestag ihrer Ankunft in Paris, stand die 69-Jährige in einem wunderschönen hautengen Paillettenkostüm zum letzten Mal auf der Bühne und agierte auch nach einem halben Jahrhundert noch souverän in ihrer Paraderolle: als glitzernde Akrobatin der Emanzipation. CHRISTIAN BUSS