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Archiv-Artikel

Wem gehört Leylas Leben?

Eine Studie lässt Plagiatsvorwürfe gegen Schriftsteller Feridun Zaimoglu laut werden

Da muss also erst eine Germanistin aus Süddeutschland kommen. In einer noch unveröffentlichten Studie hat sie zwei Romane verglichen – und Parallelen gefunden. Aufgefallen ist das bislang niemandem: nicht Helge Malchow, bei dessen Verlag Kiepenheuer & Witsch beide Bücher erschienen sind, und auch keinem der Rezensenten, die im Frühling Feridun Zaimoglus Roman „Leyla“ überschwänglich lobten. Was entweder daran lag, dass die Rezensenten Emine Sevgi Özdamars autobiografisch gefärbten Roman „Das Leben ist eine Karawanserei, hat zwei Türen, aus einer kam ich rein, aus der anderen ging ich raus“ von 1992 nicht kannten. Oder es einfach niemanden störte, dass sich zwei Geschichten ähneln, die am gleichen Ort zur gleichen Zeit spielen.

In beiden Büchern wird die Coming-of-Age-Geschichte eines Mädchens erzählt, das in den 50er- und 60er-Jahren in der anatolischen Stadt Malatya aufwächst, mit familiärer Gewalt zu kämpfen hat und am Ende der Story im Zug Richtung Deutschland sitzt. Und ja, die skrupulöse Durchsicht beider Texte offenbart wohl Parallelen in Formulierungs- und Motivdingen. Da gibt bei Özdamar ein Kleinkind als erstes Wort „Ossuk“ (Furz) von sich und bei Zaimoglu dann „Pippipups“, da heißen Filmstars hier „Humprey Pockart“ und dort „Kessrin Hepörn“, da werden hier wie dort Ausflüge ins Kurdenland und Enthaarungen im Hamam geschildert. Der Kieler Kanak-Sprakster ein dummdreister Plagiator?

Zaimoglu versichert, niemals ein Buch von Özdamar gelesen, dafür aber die Lebensgeschichte seiner Mutter aufgeschrieben zu haben – Tonbänder der Gespräche mit ihr gebe es. Die Mutter, fünf Jahre älter als Özdamar, beteuert: „Leyla ist mein Leben!“ – während sich Özdamar selbst „außerordentlich erregt“, wie die FAZ beobachtete, ihrer Lebensgeschichte beraubt sieht. Der Verlag bedauert diese „Irritationen“ in einer Presseerklärung, sieht aber wegen fehlender wörtlicher Übereinstimmungen keine Veranlassung, Zaimoglu das Vertrauen zu entziehen.

Und der hat vielleicht die Sache mit dem postmodernen Schreiben etwas selbstherrlich interpretiert, um die Verallgemeinerbarkeit türkischer Migrantenschicksale ins Licht zu rücken. Damit hätte er nicht so sehr ein literarisches Ethos als vielmehr empfindliche Gefühle verletzt. Oder aber das Leben selbst hat sich tatsächlich wieder mal von seiner Narzissmus-feindlichen Seite gezeigt – als ewige Wiederkehr des Gleichen.KIRSTEN RIESSELMANN