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Archiv-Artikel

Der Gelassene

FILM Der 31jährige Schauspieler Ken Duken steht an der Schwelle zum großen Erfolg. Das Filmfest Emden widmet ihm in diesem Jahr mit dem Hinweis auf seine Entwicklung schon mal eine Filmreihe

Falls er diese Gelassenheit behält, hat Ken Duken schon etwas erreicht

Ken Duken hat etwas von einem gut aussehenden Weihnachtsmann: Er ist an 1.000 Orten gleichzeitig. Sitzt beim 21. Internationalen Emdener Filmfest pünktlich im Saal, um den norwegischen Eröffnungsfilm „Max Manus“ zu präsentieren. Plaudert danach auf der Bühne über seine Rolle als Nazi-Kriminalrat Fehmer. Nimmt einen schaurigen Plüsch-Ottifanten für seinen kleinen Sohn entgegen, und lässt dabei seinen Charme über die kinobegeisterten Nordlichter tröpfeln. Bei der Eröffnungsparty hockt er zwischen Jury-Kollegen, und führt – nach seinem konzentrierten Gesichtsausdruck – spannende Gespräche.

Nach dem Screening des Du-schaffst-es-wenn-du-nur-willst-Kitschdramas „Gran Paradiso“ von 2000, in dem er einen Rollstuhlfahrer mit Bergsteiger-Traum spielt, beantwortet er bereitwillig jede Frage nach Rollstuhltraining und dem Wetter beim Dreh. Er scheint das Frühstücksbuffet im Hotel eröffnet zu haben, obwohl er spät abends nach dem Mitternachtstalk noch kurz in der Hotelbar vorbeischaute, die norwegische Delegation charmierte, alle herzlich umarmte und einen alkoholfreien Drink kippte. Nach dem Frühstück sitzt er beim Radiotalk, zwischendurch lächelt er mit Hotel-Angestellten, JournalistInnen und Gästen.

Vielleicht ist er ja Buddhist. Oder liebt die Menschen. Oder beides. Während des achttägigen Filmfests, das Ken Duken in diesem Jahr eine Filmreihe widmet und ihn auch noch in die Drehbuchjury berufen hat, sitzt er zum Interview auf dem Hotelsofa, und überlässt einem großmütig seinen Cappucchino. Sogar Nikotin hat er zugunsten einer gesünderen Beschäftigung aufgegeben: „Ich kompensiere das Rauchen, früher waren das mal drei bis vier Schachteln am Tag, durch Laufen.“ Steht ihm natürlich gut. Sein Aussehen ließe sich prima auf Heldenfiguren anwenden. Aber dass er sich auf dieser mit einnehmenden Leberflecken garnierten Mischung aus Drei-Tage-Bart, definierten Schultern und sensiblen Lippen ausruhen würde, kann man nicht sagen: In Thomas Siebens eigenwilligen und stark gefilmten Debüt „Distanz“ spielt er mit ungefähr fünf Dialogsätzen und subtilem Körpereinsatz einen schizoiden Serientäter.

„Spielen war für mich auch oft eine Art Therapie, bei der man viel über sich lernt“, sagt Duken, „diese unterschiedlichen Aspekte in einem drin sind wie Fabeln, in denen über verschiedene Tiere verschiedene Charaktereigenschaften erzählt werden.“

In „Distanz“, seinem bislang klar kontroversesten und spannendsten Film, hat der aus Heidelberg stammende Duken, der nie die Filmhochschule besuchte, versucht, „die Rolle ganz naiv, wie ein Kleinkind anzugehen, das jegliche moralische Regeln vermissen lässt, um möglichst keine Wertung, keine Rechtfertigung hineinzubringen“. Man kommt in diesem Film einfach nicht dahinter, bleibt dem mörderischen, schweigsamen Helden fern, der am Tag eine Beziehung zu einer forschen Gärtnerkollegin aufbaut, und nachmittags Jogger totschießt. Die Kamera bleibt ebenfalls auf Distanz, lässt das Monströse hinter der schönen Fassade von Dukens Coverboy-Gesicht nur erahnen.

Dass Duken den Film mitproduziert hat, dass er bei einigen Musikvideos Regie führte – „eine tolle Fingerübung, da lerne ich tatsächlich alle Positionen, jedes Detail“ –, passt zu seinem Wunsch, mehr zu sein, als ein Gesicht, das man besetzt. „Es ist bemerkenswert, welche Entwicklung er durchgemacht hat, er wartet nicht nur auf Rollen, sondern entwickelt aktiv mit“, erklärt der Emdener Filmfestleiter Rolf Eckard die Entscheidung, den 31jährigen Schauspieler, der auch nach eigener Ansicht nicht in allen Filmen überzeugt, mit einer Portraitreihe zu ehren.

Duken steht an der unsichtbaren Schwelle, mit zwei Grimme-Preisen, einem kleinen Auftritt in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“, der guten Festivalresonanz von „Distanz“, und seinen Ambitionen. „Ich glaube, dass alles ineinander greift, und habe ja auch noch ein bisschen Zeit“, sagt er dazu, typischerweise gelassen. Falls diese Gelassenheit bleibt, hat er schon etwas erreicht. JENNY ZYLKA