Englische Manieren

BUREN Erstmals auf Deutsch: der komische Erzählschatz des Südafrikaners Herman Charles Bosman

Burenkriege und Wasserknappheit, Liebschaften und die Begegnung mit einem Leoparden

VON KATHARINA BORCHARDT

Wenn man im südafrikanischen Veld einem Weißen begegnet, und dieser Weiße trägt Strümpfe in seinen Veldskoens, dann kann es sich nur um einen Engländer handeln. Meinen die Buren. Auf Engländer treffen sie immer häufiger, seit Gold und Diamanten im Land gefunden wurden, und erstaunt stellen sie fest, dass sich die Eindringlinge auch regelmäßig die Zähne bürsten.

Der südafrikanische Erzähler Herman Charles Bosman kannte die Buren im Buschveld der Groot Marico im Distrikt Transvaal sehr genau: Sie bauen Mais und Zwiebeln an und bohren Tiefbrunnen neben ihren Häusern. Trotzdem müssen sie weitertrecken, wenn das Wasser knapp wird oder der Milzbrand beim Vieh ausbricht – die Bibel der niederländisch-reformierten Kirche immer griffbereit. Engländer fürchten und bewundern sie gleichermaßen, weshalb die Nachbarjungen auch in großer Aufregung sind, als die hübsche Grieta Prinsloo aus dem Mädchenpensionat zurückkehrt. Dort hat sie unter anderem „englische Manieren und Diktat und andere vornehme Fächer“ gelernt. Um sich nicht zu blamieren, wiederholen die Jungen vor dem Treffen mit ihr noch einmal gründlich das große Einmaleins mit 12 und stecken ein sauberes Taschentuch ein.

All dies lässt Bosman den alten Oom Schalk Lourens in 21 Geschichten erzählen, und Oom Schalk teilt nebenbei auch mit, warum er ein so guter Erzähler ist (und das ist er wirklich): Er erzähle nur Geschichten, die er selbst erlebt hat, und er erzähle sie so, dass man ihr Ende nicht vorausahnen kann. Das stimmt: Oom Schalk ist immer selbst Teil der Story, die am Ende oft eine überraschende Pointe bereithält. Die meisten Geschichten sind dabei nicht einmal zehn Seiten lang, und doch durchlebt man auf ihnen Burenkriege und Wasserknappheit, Liebschaften und die gefährliche Begegnung mit einem Leoparden. Außerdem wird man in den ganz normalen Rassismus der Buren eingeführt. Schwarze sind bei ihnen faule „Kaffern“ – der Ausdruck ist heute als hate speech in Südafrika und in Namibia verboten.

Bosmans Erzählton selbst ist jedoch völlig frei von Hass und zeugt vielmehr von einer tiefen Einsicht in die Lebensumstände und den geistigen Horizont der einstigen Niederländer. Dabei ist es kein Zufall, dass sein Erzähler „Schalk“ heißt, denn Oom Schalk kommentiert die recht schlicht gestrickten Ansichten seiner Freunde und Nachbarn oft auf fein ironische Weise. Eine Debatte darüber, dass „die Kaffern in der Marico mit jedem Tag unverschämter würden“, führt er kurzerhand so ein: „Die Debatte sollte sich um die Eingeborenenfrage drehen. Und das war immer ein beliebtes Thema in der Marico. Man konnte eine Menge darüber sagen, ohne angestrengt nachdenken zu müssen.“

Mit „Mafeking Road“ sind nun erstmals 21 der wunderbaren Geschichten von Herman Charles Bosman, der 1951 starb, auf Deutsch erschienen. Sie sind ein historisch reichhaltiger, sehr berührender und auch ausgesprochen komischer Erzählschatz aus Südafrika. Deshalb möchte man auch nach jeder Geschichte den Farmern des Marico-Buschvelds beipflichten, die einmal meinen: „Ja, Oom Schalk, so geht’s zu in der Welt. Ja, das war eine sehr tiefe Geschichte.“

Herman Charles Bosman: „Mafeking Road“. Aus dem Englischen von Michael Kleeberg. Edition Büchergilde, Stuttgart 2010, 204 S., 19,90 Euro