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Archiv-Artikel

Links, liberal und konservativ

Befragt nach seiner politischen Orientierung, antwortet Joachim Gauck: ich bin links, liberal, konservativ. Keine schlechte Selbsteinschätzung, denn der Kandidat von SPD und Bündnisgrünen für das Amt des Bundespräsidenten ist links, weil er das Recht auf Revolution gegen Tyranneien vertritt, liberal in seiner Verteidigung der Grundrechte, konservativ in seiner Orientierung an christlichen Werten.

Joachim Gauck, geboren 1940 in Rostock, war zu DDR-Zeiten ein Pfarrer, der seine Kirche der demokratischen Bürgerbewegung öffnete, das „Neue Forum“ mitgründete und bei den Wahlen im März 1990 für das Bündnis 90 in die Volkskammer einzog. Damals war er der Meinung, dass die friedliche Revolution noch nicht an ihrem Ziel, einer demokratischen Gesellschaft, angelangt sei. In der Volkskammer arbeitete er führend an der Ausarbeitung eines Stasi-Unterlagen-Gesetzes mit, das nach der Vereinigung Bundesgesetz wurde und zur Gründung der Behörde führte, die seinen Namen trug – den ihres ersten Direktors.

Sein großes Verdienst als Behördenchef bestand darin, dass er das Recht der Opfer auf Akteneinsicht in die Stasi-Unterlagen als demokratisches Basisrecht verteidigte, es in Verbindung mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung brachte. Seine Behörde verwirklichte eine in der Welt bislang einmalige Zugangsmöglichkeit zu Geheimdienstmaterialien. Ganz im Gegensatz zu den restriktiven Regelungen etwa in Spanien oder in Polen nach dem Ende der dortigen Diktaturen. Heute besteht Konsens darüber, dass der Weg der Aktenöffnung für Opfer und Interessierte der richtige war. Gauck verteidigte den Vorrang der Akteneinsicht gegenüber bestimmten Regelungen des Datenschutzes, musste aber gegen Helmut Kohl, der gegen die Veröffentlichung von Abhörprotokollen klagte, eine Niederlage einstecken. Auch wurde die Arbeit der Behörde als kalt und bürokratisch kritisiert, so von dem Bürgerrechtler Jürgen Fuchs.

Nach seiner zweiten Amtszeit arbeitete Gauck als Publizist. Er wurde Vorsitzender des Vereins „Gegen Vergessen – für Demokratie“, der den Opfern des Nazi-Regimes und des DDR-Unrechts hilft. CHRISTIAN SEMLER

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