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Archiv-Artikel

Opposition glaubt dem BND nichts mehr

Der Bundesnachrichtendienst teilt überraschend mit: Einer seiner Mitarbeiter war frühzeitig über die Entführung des Deutschen al-Masri durch die CIA informiert. Dass er sein Wissen für sich behielt, bezweifeln FDP und Grüne. Kanzleramt wird nervös

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Als die Opposition vor einigen Wochen den BND-Untersuchungsausschuss durchsetzte, hielt die Bundesregierung dies für völlig überflüssig. Alle Fragen seien bereits geklärt, fanden Union und SPD. Von wegen: Schon vor der ersten Zeugenbefragung im Ausschuss wurden gestern neue Fakten zum Entführungsfall al-Masri bekannt, die Regierung und Nachrichtendienst in Erklärungsnot bringen.

Die Regierung hatte in ihren offiziellen Stellungnahmen bisher mitgeteilt, dass die deutschen Behörden erst im Juni 2004 Kenntnis von der Entführung des Deutschen Khaled al-Masris durch die CIA erhalten habe – also kurz nach dessen Freilassung und Rückkehr aus der US-Haft in Afghanistan. Wie der BND jetzt bestätigte, erfuhr einer seiner Mitarbeiter jedoch bereits im Januar 2004, dass „ein deutscher Staatsbürger namens El Masri“ auf dem Flughafen Skopje in Mazedonien festgenommen und „an die Amerikaner übergeben“ wurde.

In der gestrigen Pressemitteilung des BND heißt es, der Mitarbeiter des mittleren Dienstes habe von der Übergabe al-Masris an die Amerikaner bei einem Gespräch „in einer mazedonischen Behördenkantine“ erfahren. Da der Mitarbeiter aber mit einer gänzlich anderen Aufgabenstellung vor Ort eingesetzt gewesen sei und weil ihm „der Name al-Masri nichts sagte“, habe er keinen Anlass gesehen, diesem Sachverhalt nachzugehen. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ habe er die Information auch nicht weitergegeben, erklärte er laut BND. Demnach hätte der Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes sein Wissen also für sich behalten – ein Umstand, der die BND-Führung und die Regierung entlasten würde. Diese Darstellung hält die Opposition jedoch für unglaubwürdig, und auch Kanzleramtschef Thomas de Maiziere zeigte sich alarmiert. Der CDU-Politiker räumte ein, die neuen Erkenntnisse seien „ernst“ und müssten weiter aufgeklärt werden. „Danach werden Schlussfolgerungen gezogen.“ Das Kanzleramt bedauerte, dass die jetzt bekannt gewordenen Fakten nicht in dem Bericht zum Fall al-Masri enthalten waren, den die Regierung im Februar vorgelegt hatte.

Der BND selbst sprach von einer „Informationspanne“. Der Mitarbeiter habe seine Kenntnisse erst jetzt offenbart, nachdem er vom Bundestagsuntersuchungsausschuss als Zeuge benannt wurde. „Unser Misstrauen war offensichtlich doch berechtigt“, sagte der grüne Innenpolitiker Wolfgang Wieland der taz. Man habe „immer geahnt“, dass der BND von der Entführung des Deutschen al-Masri Bescheid wusste, erklärte sein Parteifreund Christian Ströbele. „Ich kann nur sagen: Ich traue niemandem mehr.“ FDP-Chef Guido Westerwelle sah bereits einen „handfesten Skandal“. Die Regierung habe das Parlament falsch informiert, die Verschleierung und Vertuschung gehe weiter. „Wenn ein deutscher Beamter in einer Auslandsvertretung von der Verschleppung eines deutschen Staatsangehörigen erfährt und dann behauptet wird, er habe dies nicht weitergegeben, so ist das lebensfremd.“

Auch für den grünen Sicherheitsexperten Wieland ist es „unvorstellbar, dass er mit niemandem darüber geredet hat“. Selbst wenn der Mitarbeiter mit anderen Dingen beschäftigt gewesen sei, hätte er die Brisanz des Gehörten erkennen und seine Informationen weiter melden müssen, sagte Wieland der taz. Schließlich sei dem BND-Mann berichtet worden, dass es um die Entführung eines deutschen Staatsbürgers ging: „Da müssen bei jedem Behördenangehörigen alle Alarmglocken klingeln.“

al-Masri selbst soll am 22. Juni als erster Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss aussagen.