: Jeden Tag dein Gesicht
Wechselnde Lebenspartner, serielle Monogamie? Das sind die Beziehungsmodelle von gestern. Heute sind Langzeitpartnerschaften angesagt – und die passenden Ratgeber dazu. Man beachte die 14-Tage-Suggestionsregel und die 15-Minuten-Zuhörtechnik
VON BARBARA DRIBBUSCH
Rote Spitzenunterwäsche? Lächerlich. Candlelight-Dinner? Zu abgeschmackt. Lange Beziehungsgespräche? Sinnlos. Was aber dann tun, um die Langzeitpartnerschaft am Laufen zu halten? Dass das Problem hunderttausende von Menschen umtreibt, lässt sich an den Bestsellerlisten ablesen. „Liebe dich selbst – und es ist egal, wen du heiratest“, heißt die neueste, esoterisch angehauchte Schrift zum Problem. Das Buch der Karriere- und Paarberaterin Eva-Maria Zurhorst steht schon seit Monaten ganz oben auf den Hitlisten.
Die Autorin rückt ab von der Idee der „seriellen Monogamie“, den aufeinander folgenden Partnerschaften, die angeblich für den immer neuen sexuellen Kick, die immer neue Glückshoffnung sorgen sollen. „Es ist egal, wen Sie heiraten. Sie treffen dabei sowieso immer nur sich selbst“, schreibt Zurhorst ungerührt und preist das „innere Wachstum“ mit dem immergleichen Partner.
Obwohl der Bestseller in schwer erträglichem Predigtstil abgefasst ist, trifft Zurhorst damit einen Nerv – dass es nämlich vielleicht doch lohnt, trotz aller Mühen, an einer Langzeitbeziehung zu basteln, als auf immer frischen Ersatz zu hoffen. Der Hamburger Sexualforscher Gunter Schmidt hat in seinem Buch: „Der Die Das – Über die Modernisierung des Sexuellen“ darauf hingewiesen, dass durch die verschiedenen Phasen, die man in einer langen Beziehung durchlebe, am Ende doch so was wie eine „serielle Monogamie“ herauskomme, „mit dem gleichen Partner beziehungsweise der gleichen Partnerin,“ aber in immer neuen Rollen.
Dem Stress, immer neue Leidenschaften erleben zu müssen, begegnet Schmidt mit nüchternen Zahlen. Danach halbiert sich die Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs nach fünf Jahren Langzeitpartnerschaft. Man müsste also spätestens alle fünf Jahre den Mann beziehungsweise die Frau wechseln, um das Triebgeschehen ein Leben lang möglichst heftig zu gestalten. Wer nach fünf Jahren noch zusammen ist, kann immerhin mit weiteren zwanzig Jahren relativ konstanter Sexhäufigkeit beziehungsweise -seltenheit rechnen, mit einem kleinen Aufwärtstrend in späteren Jahren. Ein Viertel der fest Liierten schläft ohnehin nur noch ein- bis dreimal im Monat miteinander. Jeder Zehnte der Gebundenen hat nur noch sporadischen Sex zwischen ein- bis zehnmal im Jahr. Langzeitpaare, die sich um ihre mangelnde Sexaktivität sorgen, können also aufatmen: In anderen Dauerbeziehungen geht’s auch nicht wilder zu.
Wer die Dauerliebe professionell führen will, müsse sich erst mal von seinen hoch gesteckten Erwartungen verabschieden, empfiehlt Zurhorst. „Die Ehe ist nicht die Geschenkverpackung für eine Romanze.“ Bei wem die romantischen Gefühle abebben, der muss sich klar machen, dass die Verliebtheit nur eine Suggestion ist. Was logischerweise zur Folge hat, dass das oft darauf folgende Erleben des Langzeitpartners als „langweilig“ ebenfalls nicht unbedingt der Wirklichkeit entspricht. Eine neue Geliebte würde den Partner nämlich vermutlich wieder ganz anders wahrnehmen.
Gegen die Suggestionen von Langeweile gilt es mit Antisuggestionen zu Felde zu ziehen. Unter Beachtung der 14-Tage-Regel. Zurhorst zitiert dazu die Strategie des hawaianischen Eheberaters Chuck Spezzano: „Konzentriere dich vierzehn Tage lang auf die Eigenschaft, nach der du dich sehnst. Glaube daran, dass du sie in deinem Partner entdecken kannst – und dein Partner wird sie entwickeln.“
Den langjährigen Ehepartner per Selbsthypnose wieder als sensiblen Romantiker wahrzunehmen – damit das klappt, kann man auch die Erkenntnisse der Paarforscher praktisch umsetzen. So finden Männer beispielsweise eine Frau dann attraktiv, wenn sie ihr in einer riskanten Situation begegnen. Im Versuch hatte man Männer und Frauen auf einer Straße und auf einer wackligen Hängebrücke zusammengebracht. Die Frauen auf der Hängebrücke bekamen hinterher mehr Anrufe von ihren neuen Bekanntschaften.
Mit dem Partner über Hängebrücken zu balancieren, über Klettersteige in den Alpen zu kraxeln oder auf dem Motorrad durch die Welt zu düsen, ist aber nicht jedermanns Sache. Wer es harmloser liebt, für den bieten die Gesprächstechniken des Ehetherapeuten Michael L. Moeller ein lohnendes Experimentierfeld. Die Autoren Werner Tiki Küstenmacher und Lothar J. Seiwert haben Moellers Techniken in ihrem Bestseller „Simplify your life“ aufgegriffen, ein Buch, dass sich auch monatelang ganz oben in den Hitlisten hielt.
Moeller riet ausgebrannten Paaren, dass sich beide Partner einmal pro Woche neunzig Minuten lang nach festen Regeln unterhalten. Dabei sitzt man sich gegenüber, jeweils spricht der eine fünfzehn Minuten, dann der andere. Jeder darf erzählen, was ihn oder sie derzeit am meisten bewegt, ohne unterbrochen oder bewertet zu werden. Dann ist der andere dran. Es gibt somit drei Durchgänge in anderthalb Stunden. Wichtig: Man muss nicht unbedingt über Psychothemen reden.
Wer schon mal versucht hat, fünfzehn Minuten seinem langjährigen Ehepartner zuzuhören, ohne dazwischen zu fahren oder innerlich abzudriften, weiß, dass diese Zwiegespräche mindestens ebenso viel Disziplin erfordern wie das Ausüben einer Risikosportart. „Sie lernen, dass Sie sich gegenseitig viel weniger kennen, als Sie glaubten“, prophezeien Küstenmacher und Seiwert. Wer sich also schon zum Romantikdinner mit dem langjährigen Ehegefährten aufbrezelt, sollte wenigstens eine Digitaluhr mit programmierbarem Piepssignal mitnehmen. Nur mal so, testweise. Und vielleicht reichen ja auch zehn Minuten, bevor man wechselt.
Doch was tun, wenn eine Beziehung nicht mehr zu retten ist? Wenn schon alles gelaufen ist, was an Beleidigungen, Manipulationsversuchen, Langeweile möglich ist? Zurhorst predigt auch hier das hoffnungsvolle Durchhalten. „Gerade da, wo es sich besonders festgefahren, kalt, wutgeladen, hasserfüllt oder abstoßend anfühlt, gibt es eine Menge zu tun – und zwar in Ihnen selbst“. Doch nicht immer kann man alles ertragen.
Der US-amerikanische Paarforscher John Gottman hat eine Art „Beziehungscheck“ erfunden, nach dem man empirisch recht genau sehen könne, ob noch eine Chance besteht für die Liebe. Grellrote Warnlampen gehen bei Gottman an, wenn ein Partner den oder die andere nicht mehr respektiert, sondern verachtet und sogar vor anderen herabsetzt. Auch beständige Kritik und aggressive Machtdemonstrationen höhlten die Liebe aus.
Die Autorinnen Susanne Fröhlich und Constanze Kleis haben in ihrem Bestseller „Jeder Fisch ist schön – wenn er an der Angel hängt“ Gottmans Forschungsergebnisse zusammengefasst. „Es sind die Kleinigkeiten, die zeigen: Da denkt einer an mich.“ Auch wenn beide nur in Trainingsanzügen das Auto waschen – „im Prinzip ist alles romantisch, womit sich zwei Menschen ihre Zugehörigkeit bestätigen.“ Wobei es allerdings Grenzen gibt, und da werden Fröhlich und Kleis deutlich: Wer die Liebe erhalten will, sollte niemals gleichzeitig im Badezimmer sein, wenn der Partner das WC benutzt, raten sie. „Man sieht und hört Dinge, die man besser nicht sehen und hören will.“
Jeder Beziehung tut also eine gesunde Abschottung gut. Und etwas Selbstkritik. Fröhlich und Kleis: „Wenn man das Gefühl hat, von fehlerhaften Wesen umgeben zu sein, ist es manchmal gut, sich zu fragen: Wie ist es eigentlich mit mir selbst? Würde ich mich heiraten? Mit mir selbst gern zusammenleben?“ Eine einfache Frage, eigentlich. Und eine Ausrede gibt es nicht.