: Rumsfeld in Vietnam
Zum ersten Mal nach dem Ende des Krieges 1975 besucht ein Verteidigungsminister der USA den früheren Feind
BERLIN taz ■ Donald Rumsfeld wird am Sonntag als erster amtierender US-Verteidigungsminister seit Kriegsende 1975 den einstigen Gegner Vietnam besuchen. Laut der vietnamesischen Nachrichtenagentur VNA wird er Premierminister Pham Van Khai und Verteidigungsminister Pham Van Tra treffen. Der Agentur zufolge wollen die USA Vietnam in den internationalen Kampf gegen Terrorismus einbinden und wünschen sich internationale Einsätze der Volksarmee unter UNO-Mandat.
Aus Hanoi waren dazu bisher keine ablehnenden Stimmen zu hören. Die Regierung dürfte eher erfreut sein über Beschäftigungsmöglichkeiten ihrer inzwischen zwar stark abgespeckten, aber noch immer zu großen Streitkräfte. So wurden aus der Armee heraus im letzten Jahrzehnt Firmen gegründet, die Reis exportieren, Begräbnisformalitäten erledigen oder Schuhe produzieren, um Soldaten neue Perspektiven zu geben. Vietnamesische Offiziere nehmen bereits seit gut zwei Jahren an Sprach- und Ausbildungskursen beim früheren Feind teil. Diese Zusammenarbeit wurde Ende 2003 vereinbart, als Vietnams Außenminister erstmals nach 1975 die USA besuchte.
2005 besuchten zwei mal US-Marineschiffe die südliche Metropole Ho-Chi-Minh-Stadt. Jüngere vietnamesische Politiker erhoffen sich von den amerikanischen Besuchen ein Gegengewicht zum mächtigen Nachbarn China, der bereits Erdölquellen vor Vietnams Küste ausbeutet. Die dortigen Seegebiete sind zwischen Peking und Hanoi umstritten. Vietnamesische Medien berichten zudem, die USA wollten ihren früheren Militärstützpunkt Cam Ranh in Zentralvietnam pachten. Hanoi soll noch unentschieden sein.
Beim Besuch Rumsfelds dürfte auch das Thema Agent Orange angesprochen werden. Hanoi fordert eine Entschädigung der USA für die Vergiftungen von Mensch und Umwelt mit dem Entlaubungsmittel während des Krieges. Noch heute werden Menschen mit Missbildungen geboren. US-Präsident George W. Bush lehnt eine Entschädigung ab. Sein Amtsvorgänger Bill Clinton hatte zumindest Forschungsgelder bewilligt und zum Ende seiner Amtszeit Hilfen in Aussicht gestellt.
Trotz der auf bis zu 4 Millionen geschätzten Agent-Orange-Opfer ist Antiamerikanismus in Vietnam heute ein Fremdwort. Fast zwei Drittel der 83 Millionen Vietnamesen kennen den Krieg nur aus Erzählungen. American Way of Live, Hollywoodfilme und Popstars sind bei den jungen Leuten beliebt, die Sprache Englisch gilt als Schlüssel zum beruflichen Erfolg.
Das Pentagon wollte Rumsfelds Besuch weder bestätigen noch dementieren. Zu Reisen des Ministers gebe es „aus Sicherheitsgründen“ nur am Tag selbst oder im Nachhinein Stellungnahmen. MARINA MAI