: Viele Versprechen und wenig Vertrauen
Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Peru ist offen. Zur Wahl stehen am Sonntag der eher unbekannte Exmilitär Ollanta Humala sowie der frühere Staatschef Alan García, dessen Amtszeit von Hyperinflation und Korruption geprägt war
AUS LIMA GERHARD DILGER
Umringt von Getreuen und Leibwächtern stürmt Ollanta Humala die staubigen Wege von Pamplona Alta hinauf. In dem Armenviertel im Süden Limas sind die kahlen Hänge mit grauen Holzhütten übersät. Hier wirkt die peruanische Hauptstadt besonders trostlos. „Der Kandidat der Armen ist gekommen, um die Bedürfnisse des Volkes kennen zu lernen“, plärrt es aus einem Lautsprecherwagen.
Im roten T-Shirt mit der Aufschruft „Liebe zu Peru“ und Jeans scheint sich der kleine, drahtige Mann am wohlsten zu fühlen. Alle paar Minuten hält er in einem improvisierten Wahlkampfbüro an, winkt, lächelt, schüttelt Hände und verspricht, dank seines „Programms für Bürgerrechte“ werde er Wasseranschlüsse, Gesundheitsposten und Polizeistationen nach Pamplona Alta bringen. „Seht euch die Mannschaften gut an, die jetzt gegeneinander antreten“, ruft Humala in ein Megafon. „Auf der einen Seite stehen wir Nationalisten, auf der anderen die Neoliberalen: Alan García, Präsident Toledo, die Rechten und jetzt auch noch der US-Botschafter.“
Von ihrer Hütte aus betrachtet Paula Merina das Treiben distanziert. „Das kennen wir“, sagt die 35-Jährige. „Vor den Wahlen kommen sie alle mit den schönsten Versprechungen, danach hört man nie mehr etwas davon.“ Am Sonntag, bei der Stichwahl um die peruanische Präsidentschaft will sie für den früheren Staatschef Alan García stimmen: „Viel erwarte ich mir von dem auch nicht, aber wenigstens ist er kein Militär.“
Ihre Skepsis wird in Lima von allen Gesellschaftsschichten geteilt. „Wir haben die Wahl zwischen dem Unbekannten und dem schlechten Bekannten“, sagt der sozialistische Abgeordnete Javier Diez Canseco. „Wir haben unsere Erfahrungen mit Präsidenten ohne Programm, ohne Vorgeschichte und ohne Partei“, meint er in Bezug auf Humala, der Ende 2000 durch einen Putschversuch gegen Alberto Fujimori bekannt wurde und der den ersten Wahlgang im April mit 30,6 Prozent der gültigen Stimmen für sich entschied.
García sei bis heute Erklärungen für seine „katastrophale“ Amtszeit von 1985 bis 1990 schuldig geblieben, die von Hyperinflation, Kapitalflucht und Korruption geprägt war, kritisiert Diez Canseco. Der Sozialdemokrat sei ein „treuer Diener mächtiger Gruppen“ und befürworte das Freihandelsabkommen mit den USA. Als Sozialdemokrat, der sich geradezu lustvoll mit Venezuelas Präsident Hugo Chávez angelegt hat und „positive Allianzen“ mit Chile und Brasilien anstrebt, ist García für das Bürgertum wählbarer als der Außenseiter Humala, dessen Hochburgen in den indigen geprägten Andenprovinzen des Südens liegen. Wegen der großen Anzahl an Unentschlossenen ist der Wahlausgang allerdings noch offen.
Auch García hat seinen Wahlkampf auf die Armenviertel Limas konzentriert. Anders als der rastlose Humala, bei dem vieles improvisiert wirkt, setzt seine gut organisierte Traditionspartei „Revolutionäre Amerikanische Volksallianz“ (Apra) auf präzise inszenierte Kundgebungen, die in eine längere Rede des Volkstribuns García münden. Dabei geriert er sich ebenfalls als Linker: „Wir haben wir es mit einer neuen Rechten zu tun, einer militaristischen, vertikalen Rechten, die die Freiheit bedroht“, ruft er in Villa María del Triunfo, „wir bieten Brot mit Freiheit, wir sind der verantwortungsvolle Wandel.“ In den kommenden sechs Monaten werde er in Lima für 500.000 Trinkwasseranschlüsse sorgen: „Ohne Wasser gibt es keine Demokratie.“
Alle Umfragen bescheinigen García höhere Sachkompetenz, aber kaum jemand traut ihm. Dass die beiden ungeliebten Politiker überhaupt in die Stichwahl gekommen sind, hängt mit der mageren Sozialbilanz des scheidenden Präsidenten Alejandro Toledo zusammen. Vom stattlichen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre kam wenig bei der Bevölkerung an, die Hälfte der 28 Millionen PeruanerInnen lebt weiterhin in bitterer Armut. Sämtliche Kandidaten, die Toledos neoliberale Wirtschaftspolitik fortsetzen wollten, scheiterten.
García und Humala hingegen stellen Kurskorrekturen in Aussicht. Beide wollen die Verträge mit Bergbauunternehmen neu verhandeln, damit mehr Geld zur Finanzierung von Sozialprogrammen zur Verfügung steht. „Eine „moderne, flexible Nationalisierung“ verspricht Humala, und García sagt mit Blick auf die Verdreifachung des Weltmarktpreises für Gold: „Für unser Land muss mehr herausspringen.“ Beide wollen allerdings auch an einer „soliden“ Haushaltspolitik festhalten.