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Archiv-Artikel

Wurst & Käse

Es ist später Nachmittag. Ein idyllisches Reihenhaus, eines von vielen. Eine Grillparty. Die Männer stehen am Feuer, wenden das rohe, blutige Fleisch mit ihrer Waffe, der Grillzange. Währenddessen rühren die Frauen das Dressing für den Salat an.

Das ist das heutige Jäger-Sammler-Prinzip: Der Mann erlegt das Tier nicht mehr selbst, er gibt ihm aber noch den Rest. BEEF!, das Magazin „für Männer mit Geschmack“, sieht das auch so: Fleisch sei männlich und Frauen sollten endlich aufhören, am Fleischkonsum der Männer herumzunörgeln.

Alles Käse? Sind Wurst und Käse keine Frage der Rollenverteilung, sondern vielmehr eine Frage der Moral?

Haben Veganer den Anspruch, bessere Menschen zu sein? Fest steht: Der vegane Markt wächst – wie auch der Biomarkt. Die Auswirkungen sind zum Teil skurril: Wenn ein Molkereikonzern eine Firma mit veganen Produkten aufkauft, sind die Produkte dann wirklich noch vegan? Überhaupt: Ist Tofu das neue Fleisch? Oder werden gar Insekten zukünftig unseren Proteinbedarf decken?

Essen ist ein Kulturgut. Es wird gefeiert, besungen und bemalt. So finden die beiden Brotbeläge immer wieder Eingang ins Reich der ernsten und nicht ganz so ernst gemeinten Kunst. Von Helge Schneiders „Bonbon aus Wurst“ bis zur eigens zu Ehren der Wurst komponierten Arie von Esther Hilsberg: Musik und Wurst lassen sich durchaus kombinieren.

Was beim Essen gesund ist, ist einigermaßen definiert. Doch ist nicht die Art der Nahrungsaufnahme genauso wichtig wie die Art der Nahrung an sich? Möglicherweise ist es ja gesünder, mit Familie oder Freunden genüsslich ein Steak mit Pommes zu verdrücken, als alleine und in Eile ein Kraftprotzbrot mit Grünkern-Aufstrich?

Ernährung ist immer auch eine Kostenfrage. Zum einen sind es Kosten für den Einzelnen, hängt die Art des Essens doch nicht unwesentlich von der Dicke des Geldbeutels ab. Zum anderen verursacht sie Kosten für die Umwelt. Treibhausgase und Wasserverschmutzung sind nur zwei von vielen Nebeneffekten bei der Fleischproduktion – aber auch für die Käseherstellung. Kühe stoßen Mathangas aus.

Auch die EU-Agrarpolitik verdient einen kritischen Blick hinter die Kulissen: Momentan tragen Subventionsrichtlinien dazu bei, Umweltverschmutzung mit zu finanzieren. Was für eine Reform wäre sinnvoll, um hier zu anderen Ergebnissen zu kommen?

Ob also Wurst und Käse aus moralischer, religiöser, musikalischer, politischer oder evolutionsgeschichtlicher Sicht betrachtet werden, ist eines klar: Sie sind mehr als nur die Bestandteile einer Brotzeit. ANNA RENNER, FLEXITARIERIN, KATJA BARTHOLD, TEILZEIT-VEGETARIERIN