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Archiv-Artikel

Revisor im Wartestand

Nach der Sommerpause will Jürgen Rüttgers die Hartz-Gesetze ändern. Der Regierungschef wisse nicht, „wovon er redet“, sagt die Opposition – und fordert seinen Rücktritt als Bundesparteivize

VON ANDREAS WYPUTTA

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) drängt weiter auf eine Generalrevision der Hartz-Gesetze. „Mit kleinen Änderungen kommt man da nicht mehr weiter“, sagte Rüttgers im ZDF. Bereits am Freitag hatte Rüttgers, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU ist, SPD-Vizekanzler und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering scharf angegriffen: „Es wird Zeit, dass Herr Müntefering endlich zu den Realitäten zurückkehrt.“ Hartz sei gescheitert, so Rüttgers: „Nichts funktioniert.“

Unklar blieb gestern, ob Rüttgers damit auch das so genannte Hartz-Fortentwicklungsgesetz, das am Donnerstag den Bundesrat passieren soll, ablehnen will. Nach Presseberichten, eine Mehrheit aus sieben unionsgeführten Bundesländern wolle das Gesetz blockieren, ruderten Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) wie Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) zurück, gaben sich gestern kooperativ. Rüttgers hatte bereits am Sonntag ein neues Zeitfenster für seine Generalrevision genannt: „Nach den Sommerferien“ müsse dann aber über „grundlegende Veränderungen der Hartz-Gesetze“ geredet werden.

Scharf kritisiert wird Rüttgers‘ Zickzackkurs unterdessen von der Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag. „Rüttgers soll nicht hier in Nordrhein-Westfalen beißen, sondern sich in Berlin einbringen“, so SPD-Landtagsfraktionsvize Rainer Schmeltzer zur taz. Doch offensichtlich finde Rüttgers ebenso wie sein Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) bei CDU-Kanzlerin Merkel „kein Gehör“, sagt Schmeltzer.

Barbara Steffens, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, forderte gegenüber der taz sogar den Rücktritt Rüttgers‘ als Bundesparteivize. „Wenn Rüttgers als stellvertretender Bundesparteichef so machtlos ist, dann muss er zurücktreten.“ Sein „Geschrei“ nach einer Generalrevision sei „blanker Populismus, billigster Stimmenfang“, findet die Grüne. „Rüttgers signalisiert den Arbeitslosen, er wolle für sie kämpfen, tut dann aber nichts.“

Ähnlich argumentiert auch Sozialdemokrat Schmeltzer. Rüttgers formuliere „nur Überschriften“ und wisse nicht, „worüber er redet“. Nordrhein-Westfalens Regierungschef hatte erst am vergangenen Donnerstag vage drei Punkte benannt, die nach seiner Ansicht geändert werden müssen. Dabei hatte Rüttgers eine klare Aufgabenverteilung bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen, einen besseren Schutz der Altersvorsorge und höhere Anreize für die Aufnahme von Arbeit angemahnt.

Damit aber liefere Rüttgers zusammen mit seinem Arbeitsminister Laumann Argumente für den von beiden bekämpften Mindestlohn, meint Schmeltzer wie Steffens. Laumann, der die Zuverdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose selbst ausgehandelt hat, könne jetzt nicht über Hartz als „flächendeckenden Kombilohn“ klagen, sagt Steffens: „Das ist doppelzüngig. Da hilft nur ein existenzsichernder Mindestlohn.“