: Bündnis-Angebot von der Isar
Offiziell was der Besuch des Münchner Oberbürgermeisters Christian Ude (SPD) in Bremen rein privater Natur. Seinem Bremer Kollegen unterbreitete er dennoch ein höchst politisches Angebot
von Klaus Wolschner
Christian Ude ist ein gemütlicher Mann. Der SPD-Oberbürgermeister von München kennt die Probleme seiner Stadt bis in alle Verästelungen und er findet nebenher Zeit, kleine Schmunzelgeschichten aufzuschreiben. Am Wochenende weilte er in Bremen, mit Frau, eingeladen vom Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) und dessen Frau, für eine Lesung im Rathaus. Eine private Freundschaft, soll es scheinen, eine Gelegenheit für den Münchener Oberbürgermeister, einen weißen Fleck auf seiner Reise-Landkarte auszumalen: Udes letzter Besuch an der Weser liegt 26 Jahre zurück.
Aber Ude wäre nicht der erfolgreichste Sozialdemokrat im schwarzen Bayern, wenn er den privaten Anlass ungenutzt ließe für eine politische Botschaft. Denn Jens Böhrnsen, der Bremer, ist in Not und es scheint, als sei die plötzliche Freundschaft mit dem Bayern auch von seiner Seite nicht nur ganz unbefangen privat. Bei der letzten Runde der Ministerpräsidenten, plauderte er beim gemeinsamen Abendessen mit Ude aus, sei es um die Tagesordnung der Konferenz „Förderalismusreform II“ am 22. Juni in Berlin gegangen – und vollkommen überraschend habe der Saarländer Peter Müller da den Wunsch geäußert, dass auch über die Erleichterung der Zusammenlegung von Ländern geredet worden sollte. Unter Punkt sieben steht das nun auf der Agenda, auf dringenden Bremer Wunsch mit dem Zusatz „freiwillig“ vor dem Wort „Verschmelzung“ versehen.
Was den Saarländer trieb, darüber rätselt man im Bremer Rathaus immer noch. Klar aber ist: Die Lage ist ernst, das Thema ein Sprengsatz. Der Spiegel wusste zu berichten von einem vertraulichen Zusammentreffen am Tegernsee, bei dem die „zahlenden“ Bundesländer, vertreten durch die Chefs der Staatskanzleien aus Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hamburg bei den Bayern zu Gast waren. „Am Tegernsee beschlossen sie das Ende der Solidarität“, schreibt das Magazin. Die Geberländer wollen nicht mehr zahlen, ohne das Sagen zu haben.
Da kommt der Münchner gerade recht. Der ist nämlich derzeit Präsident des Städtetages. Und der repräsentiert 50 Millionen Deutsche – die Mehrheit der Bevölkerung, wie Ude vorrechnet. Nur in Berlin hat das Gremium nichts zu sagen.
Dabei müssen die meisten Gesetze, die Bundestag und Bundesrat verabschieden, die Kommunen ausführen. Was also läge näher, als dass Stadtstaaten wie Bremen als „Anwalt der Städte“ im Bundesrat agierten? Auf den Tisch gebracht hat Ude diese Idee bereits im vergangenen Jahr, mit einem Brief an Böhrnsens Vorgänger Henning Scherf (SPD). Offenbar vergeblich. Mit „Jens“, erklärte Ude nun, sei er da auf einer Linie, „Zustände wie unter Koschnick“ könnten wieder eintreten. Damals hatte die münchnerisch-bremische Allianz schon einmal funktioniert.
Gegenüber Journalisten unterstrich Ude gleich mehrfach die Vorteile, die diese Rolle für Bremen haben könne. Sei doch Bremens bisherige Position nicht gerade berauschend: Dass der überschuldete Zweistädtestaat etwa von den reichen Ländern noch mehr Geld bekommen wolle, das sei außerhalb der Bremer Landesgrenzen nicht gerade populär. Auch der Hafen sei dort kein Argument für die Selbstständigkeit Bremens – der werde schließlich auch bei einer Länderfusion kaum zugeschüttet. Dass Bremen irgendein „Alleinstellungsmerkmal“ habe, das die Eigenständigkeit rechtfertige, könne man nach dem Ende der Werften auch niemandem mehr erklären. Und beim Stichwort „Bremen als Experimentierfeld der Bundesrepublik“ stelle sich nach der Geschichte mit der „roten Kaderschmiede“ auch nur Schmunzeln ein. Da ist München schon eher Vorbild für Bremen: Wohnungsbaugesellschaften „unter Wert zu verkaufen, um schnelles Geld zu machen“, das ist mit dem Kommunalpolitiker Ude nicht zu machen. Und auch von seinen Stadtwerken würde er, Ude, „kein Prozent“ an Private geben. Die werfen nämlich Jahr für Jahr Rendite ab, in die Münchner Stadtkasse.
Aber dass die Kommunen einen „Stellvertreter“ mit Sitz und Stimme im Bundesrat brauchten, dass würde den Politikern in Stuttgart und München sofort einleuchten, warb Ude. Dafür gebe es quer durch die Parteien großes Verständnis. Und wenn es nötig sei, werde er, der Präsident des Städtetages, in diesem Gremium ein Votum für die Selbständigkeit Bremens auf die Tagesordnung setzen.
Ein Bündnisangebot erster Sahne also, ein privater Freundschaftsbesuch – durchaus mit politischem Hintergrund.