: Zwei Fliegenfänger zur Auswahl
Pawel Janas hat Polen mit Kreativität und Offensive zur WM geführt. Doch die Aufbruchstimmung ist verflogen, seit der Nationaltrainer zwei beliebte Leitfiguren aussortiert hat und nun auch noch von Albträumen geplagt wird
Es ist nicht empfehlenswert, Pawel Janas direkt in die Augen zu schauen. Wenn er eine Frage nicht versteht oder nicht verstehen will, hebt er seine buschigen Augenbrauen und sendet böse Blicke. Die markanten Gesichtszüge, der dunkle Anzug, die streng gescheitelte Frisur: Janas, 53 Jahre alt und Trainer der polnischen Nationalmannschaft, erinnert an einen alternden General. Am Samstag in Wolfsburg, nach dem 1:0 im letzten WM-Härtetest gegen Kroatien, sagte er beiläufig einen Satz, der Leitmotiv seiner Arbeit ist: „Ich bin der Trainer und ich entscheide.“
Dreieinhalb Jahre ist Janas nun schon im Amt, denn er hat mit seinen Methoden Erfolg gehabt: Die polnische Auswahl gewann acht der zehn Spiele in der Qualifikation, sie schoss 27 Tore und überzeugte durch Kreativität und Offensivgeist. Doch wenige Tage vor dem ersten WM-Spiel am Freitag gegen Ecuador ist nicht mehr viel geblieben von dieser Aufbruchsstimmung. Mäßige Testspiele, vor allem das 1:2 gegen Kolumbien in Chorzów, haben Fans und Medien gegen Janas aufgebracht. Daran konnte auch das Ergebnis gegen Kroatien wenig ändern. Es täuschte über eine uninspirierte Leistung hinweg. So dürfte Polen dem DFB-Team am 14. Juni in Dortmund nicht gefährlich werden.
Janas ist an dieser Entwicklung nicht ganz schuldlos. Die Entrüstung war groß, als er seinen Kader für die WM bekannt gab: Zwei Leitfiguren, Torhüter Jerzy Dudek, beim FC Liverpool Held im Champions-League-Finale 2005, zuletzt jedoch nur Ersatz, und Tomasz Frankowski, mit sieben Toren bester Torschütze Polens in der Qualifikation, fehlten. Im Tor liefern sich seitdem Artur Boruc (Celtic Glasgow) und Tomasz Kuszczak (West Bromwich) ein Duell der Fliegenfänger. Kuszczak kassierte in Kolumbien ein Tor von seinem Kollegen gegenüber, Boruc machte in Wolfsburg ebenfalls nicht den sichersten Eindruck. Zudem soll die Stimmung im Team gesunken sein: Vor allem Keeper Dudek, 33, genießt bei seinen Kollegen einen hohen Stellenwert. „Diese Fragen nach dem Torwart sind mein Albtraum“, sagt Janas.
Trotzdem geht Janas auf seinem Weg selten Kompromisse ein. Die Nichtberücksichtigungen hatte er damit begründet, dass er dem verdienstvollen Dudek nicht die Reservebank zumuten und dem Egozentriker Frankowski keine Plattform bieten wolle. Doch die Aussortierten erfuhren die Nachricht aus dem Fernsehen. Sie bedanken sich dafür mit ungehemmter Kritik und die polnischen Medien nehmen den Zorn der Verschmähten freudig auf.
Aber Janas pflegt nicht erst seit diesen unpopulären Maßnahmen ein Verhältnis der Distanz zur polnischen Journaille. Immer wieder wechselt er seine Telefonnummer, um nicht belästigt zu werden. Ein großer Kontrast zu seinem Vorgänger Zbigniew Boniek, der nach dem Vorrunden-Aus bei der WM 2002 und der Demission von Jerzy Engel nur ein halbes Jahr ausgehalten hatte. Boniek nahm jede Talkshow-Einladung an, Janas lässt die Zäune auf den Trainingsplätzen mit Sichtblenden bespannen. In den vergangenen Tagen stritt er sich mit Sportfive. Die Vermarktungsagentur organisierte ein Testspiel des polnischen Teams gegen eine Amateurauswahl in Salzgitter und verkaufte Tickets für die Begegnung. Janas wollte davon nichts wissen, er wollte das Spiel ohne Zuschauer austragen. Gestern wurde das Match abgesagt. „Er ist kein Mann für Spektakel“, sagt Michal Olszanski, Sprecher des Polnischen Fußballverbandes, „er ist Perfektionist.“
Diesen Perfektionismus pflegt Janas seit Jahrzehnten. Er war Verteidiger, verbissen und fleißig wie kaum ein anderer. Beim AJ Auxerre wurde er Mitte der Achtzigerjahre zum besten ausländischen Profi gewählt. Dort traf er auf seinen Mentor, Trainer Guy Roux. Dem hat er nicht nur seine Methoden, sondern auch die Bärbeißigkeit abgeschaut. Vor allem aber lernte Janas, dass er nur einem vertrauen kann: sich selbst. Er glaubt nur seinen eigenen Augen, hört nur auf seine Stimme. Und die Befehle gibt allein er. RONNY BLASCHKE