piwik no script img

Archiv-Artikel

Klinik-Essen schwächt

Studie: Jeder vierte Patient bekommt beim Aufenthalt im Krankenhaus ernste Probleme durch Ernährungsmängel

BERLIN taz ■ Zu viel Salz, zu wenig Vitamine, verkochtes Gemüse und kaum frisches Obst: Das Essen, das PatientInnen in Krankenhäusern serviert wird, hat keinen guten Ruf. Nicht ganz zu Unrecht, wie eine breit angelegte Studie jetzt ergab. Ein Viertel der PatientInnen, sagt Michael Hiesmayr, Professor an der Medizinischen Universität Wien, bekommt beim Aufenthalt im Krankenhaus „massive Probleme“ – wegen Mangelernährung.

Europaweit wurden im Rahmen des „Nutrition Day“ am 19. Januar 15.000 PatientInnen befragt, in Deutschland nahmen mehr als 2.000 Kranke aus über 30 Städten an der Untersuchung teil. Die ersten Ergebnisse präsentierte die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin Ende vergangener Woche anlässlich ihrer Jahrestagung in Berlin.

„Es stellte sich heraus, dass ein Drittel der Patienten schon bei der Aufnahme ins Krankenhaus Zeichen einer Mangelernährung zeigten“, so Hiesmayr, der Projektleiter der erstmals durchgeführten Studie. Bei den über 65-Jährigen sei sogar mehr als die Hälfte betroffen. Allerdings müssen diese Menschen nicht zwangsläufig untergewichtig sein. Häufig seien ihre Organfunktionen gestört, infolge krankheitsbedingt starker Gewichtsabnahme oder durch Unterversorgung. Besonders alarmierend: Bei jedem vierten Patienten nähmen die Probleme durch Mangelernährung während des Klinikaufenthaltes zu.

Und das hat schwer wiegende Konsequenzen, belegt Hiesmayrs Studie. Die mangelernährten PatientInnen liegen nicht nur 50 Prozent länger im Krankenhaus als andere. Auch ihre Sterblichkeit ist zwei- bis dreimal höher als wie die von normal ernährten Menschen. Das gilt ebenso für jene, die schon vor ihren Krankenhausaufenthalt an Gewicht verloren hatten. Als besonders gefährdet gelten dabei alte Menschen oder solche mit Tumorerkrankungen.

Diese Erkenntnisse sind auch für viele Ärzte völlig neu, sagt Herbert Lochs, Professor an der Berliner Charité: „Das Problem ist weder im Bewusstsein der Öffentlichkeit noch unter den Ärzten adäquat vertreten.“ Neu sei es jedoch nicht: Der Europarat verabschiedete schon 2003 eine einschlägige Resolution.

Und noch etwas belegt die Studie: Das Essen im Krankenhaus hat nicht nur einen schlechten Ruf. Es wird auch selten aufgegessen. Nicht einmal jeder zweite Patient, so die Studie, isst alles auf, was ihm in der Klinik vorgesetzt wird. Das kann sich rächen: Die Sterblichkeit all jener, die auch mal ihr Essen stehen ließen, stieg um das Dreifache an – europaweit. JAN ZIER