LESERINNENBRIEFE
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Das furchtbare Zerbrechen

■ betr.: „Die Kinder haben provoziert“, taz vom 5. 12. 13

„Warum dürfen die Kinder Genitalien denn nicht untersuchen?“

Das Gespräch zeigt, wie weit man mit historischer Kontextualisierung kommt: Vom Pädophilie-Apologeten damals zum heute sich vorsichtiger Artikulierenden hat man einfach „seine Meinung geändert“, im Einflussfeld der je gängigen psychologischen Vorstellungen. Man „wusste“ nicht und konnte nicht wissen, dass es den Kindern „schadet“. Die Jüngere dagegen betont, wohl mehr aus einem Gefühl heraus, die „normale Schranke“ zwischen Erwachsenen und Kindern.

Der „Mensch“ als naturalistisches Tier plus psychologisches Subjekt (dem man schaden oder nicht schaden kann): Solange und soweit unsere Moderne ihre Möglichkeiten nicht nutzt, über diese Verkürzung von Lebensrealität hinauszukommen und – mit Rudolf Steiner – „Mensch“ als Welt zu sehen, so lange und so weit hat man keine Grundlage, das furchtbare Zerbrechen einer ganzen göttlichen Welt zu begreifen, das im Kindesmissbrauch (und der sexuelle ist nur die Spitze des Eisbergs) geschieht. Das Kind (ein „göttlich Wesen“ schon für Hölderlin) sucht und braucht als Zusammenhalt und Erfüllung für seine schwebende göttliche Welt, nicht das bornierte, je nach Zeit-Gusto sexualisierte („sexuell befreite“) „Subjekt“ des Erwachsenen, sondern dessen „Ich“. MARTIN CUNO, Siegen

Sich einfach mal entschuldigen

■ betr.: „Danke, Madiba“, taz vom 7. 12. 13

Die Welt trauert um einen der wichtigsten Hoffnungsträger der letzten Jahrzehnte. Nelson Mandela hat bei allem Leid, das ihm zugefügt wurde, nie seine Güte und die Hoffnung auf eine Veränderung zum Guten verloren.

Europa hat Afrika 400 Jahre kolonisiert. Unsere Vorfahren haben Millionen Sklaven verschleppt und Afrika 1885 unter sich aufgeteilt. Die Apartheid Südafrikas, gegen die Mandela sein Leben lang angekämpft und zum Schluss überwunden hat, ist eine europäische Idee und von Europäern durchgesetzt. Das kann man nicht wieder gutmachen. Aber man könnte sich dafür einfach einmal entschuldigen. Eine Entschuldigung kostet nichts, ist aber so schwer auszusprechen. Sie kostet Überwindung.

Mandela hat uns gelehrt, das man Wut und Hass überwinden kann. PETER SCHRAGE-ADEN, Berlin

Mandela wird fehlen

■ betr.: „Danke, Madiba“, taz vom 7. 12. 13

Ich finde die Artikel über Nelson Mandela in der Samstags-taz wunderbar. Er wird den meisten Menschen wie mir sehr, sehr fehlen. Dass Reagan und Thatcher ihn einst als Terroristen bezeichnet haben, finde ich sehr traurig und unmöglich. Was ich dagegen unglaublich erfreulich finde: Sein ehemaliger Gegenspieler, der einstige Apartheidpolitiker und spätere Nobelpreisträger Frederik de Klerk, erklärte seinen langjährigen Gegenspieler Nelson Mandela im Nachhinein zu einem der ganz Großen Afrikas.

Nelson Mandela hat die Risse im Beton der Apartheid wahrgenommen und ihn mit unglaublichem Mut, mit ungeheurer Energie und unendlicher Geduld gesprengt.

HARTMUT WAGNER, Schwerte

Glaubwürdiger Aktivist

■ betr.: „Danke, Madiba“, taz vom 7. 12. 13

Nelson Mandela war einer der wenigen Menschen die ihren Legendenstatus schon zu Lebzeiten verdienten. In Erinnerung bleibt, dass er ohne Hass und Bitterkeit nach langer Haft als Präsident Südafrika neu formte, ohne Vergeltung gegenüber seinen Peinigern. Die Angst der europäischen Migranten, die Land, Bodenschätze und Rechte den Einheimischen wegnahmen, vor einem Bürgerkrieg, entsprach deren alten europäischen Denken.

Dass Mandela so weise war, alle zur Versöhnung aufzurufen, war das Umsetzen des humanistischen Wertesystems, von dem in der Theorie viele sprechen, das aber hier wirklich in die Tat umgesetzt worden ist. Mandela war sicher der glaubwürdigste und erfolgreichste Aktivist für Freiheit und Demokratie in der Welt überhaupt.

Dass dieser Mann ein Afrikaner gewesen ist, darauf darf der gesamte Kontinent sehr stolz sein.

MARKUS MEISTER, Kassel

Freihandel ist keine Einbahnstraße

■ betr.: „Die Freiheit, zu hungern“, taz vom 9. 12. 13

Kurzfristig stimmt es: „Die Verlierer sind die ärmsten Länder“. Mittel- oder langfristig verkehrt sich eine betriebswirtschaftlich orientierte Politik aber in das Gegenteil!

Volkswirtschaftlich gesehen müssen Angebot und Nachfrage im Gleichklang sein. Weltweit. Freihandel ist keine Einbahnstraße. Was nützen zementierte Außenhandelsüberschüsse den eh schon reichen Ländern? Geld muss im Kreislauf bleiben.

Fangt mit dem Abbau der Agrarsubventionen in den reichen Ländern an. Nur durch Produktion in den „Entwicklungsländern“ entstehen Märkte.

Menschen, die kaum den Reis für das tägliche Leben kaufen können, werden sich nie einen VW leisten können – geschweige denn einen Audi, Mercedes oder Porsche. Verlierer werden die reichen Länder. NORBERT VOSS, Berlin