„Ehrenmord“-Prozess
Mord aus niederen Motiven sieht die Staatsanwaltschaft in einer Messerstecherei wegen „Untreue“ einer Frau
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen begann gestern vor dem Bremer Landgericht der Prozess um einen „Ehrenmord“, dem im Dezember 2005 ein 33 Jahre alter Bremer türkischer Abstammung zum Opfer gefallen war. Die zwei mutmaßlichen Täter saßen auf der Anklagebank. Sie hätten gemeinschaftlich und aus „niederen Motiven“, so las der Staatsanwalt aus der Anklageschrift vor, den Mord und im Falle einer Frau einen „Mordversuch“ begangen.
Tamer S., der Ehemann der schwer verletzten Frau, hatte offenbar die Sache angestiftet, weil seine – damals schon getrennt von ihm lebende Frau – einen anderen Freund hatte. Es kam zu einer Verfolgungsjagd im Überseehafengebiet. Das Auto, in dem die Ehefrau und ihr Freund saßen, wurde gerammt und gestoppt, dann sprangen die beiden Verfolger aus ihrem Wagen und Stachen mit einem Messer brutal auf die beiden ein. Auch die Frau müsse sterben, habe ihr Ehemann gerufen, heißt es in der Anklageschrift, da sie aufgrund ihrer Untreue kein Recht mehr auf ihr Leben habe. Sie war aber im Wagen sitzen geblieben und konnte mit Tritten den angreifenden Tatgehilfen ihres Mannes abwehren – sie überlebte schwer verletzt.
Vor Gericht ist die Frau des ermordeten Türken als Nebenklägerin vertreten. Richter Helmut Kellermann mahnte die zahlreich erschienenen Zuschauer, unter denen er Angehörige der beiden beteiligten Familien vermutete, ihre verständlichen Emotionen im Zaun zu halten und die Aufklärung des Falles nicht durch Handlungen „außerhalb der Hauptverhandlung“ zu erschweren.
Der Verteidiger von Tamer S. ist Armin von Döllen. Er stellte den Antrag, den Haftbefehl aufzuheben, da die Ermittlungen zwischen Dezember und dem Eröffnungstermin ohne Grund verzögert worden seien. Der Prozess wird am 26.6. um 9 Uhr im Raum 218 mit der Erörterung dieser Frage fortgesetzt. Ob die beiden Angeklagten sich zur Sache äußern werden, blieb gestern offen.
kawe