piwik no script img

Archiv-Artikel

Papa ist prekär

Arm an der Ostsee: Die Komödie „Tollpension“ (20.15 Uhr, ARD) kratzt verhalten am Mythos Familienurlaub

Der deutsche Sommerurlaub ist auch nicht mehr das, was er mal war. Kurz vor der Abreise an die Ostsee wird Familienvater Kurt Mahlström (Uwe Ochsenknecht) darüber informiert, dass sein neuer Arbeitsvertrag zur erheblichen Schwächung der allgemeinen familiären Finanzsituation führt. Den hatte er leichtgläubig unterschrieben – und prompt streicht ihm die Bank den Dispo, weshalb am angestammten Ferienort zum ersten Mal seit 15 Jahren nicht geprasst werden darf. Teure Restaurantbesuche und Freizeitaktivitäten für Tochter (Nina Szeterlak) und Sohn (Kevin Köppe) sind in diesem Urlaub unbedingt zu vermeiden.

Mit den schwindenden wirtschaftlichen Potenzen geht ein Bröckeln der patriarchalischen Macht einher: Trotz markiger Sprüche schwächelt der Mann im Bett, die Ehefrau (Petra Zieser) zieht es nicht nur deshalb zu den esoterischen Tanzkursen von Pastor Müller (Hans-Jochen Wagner im „Fair trade“-T-Shirt), und die halbwüchsigen Kinder können nur noch peinlich berührt lächeln angesichts der Anweisungen und Ermahnungen, die ihr Vater vor dem Badengehen bellt. Der Mann trägt ein drolliges Matrosenkäppi mit der Aufschrift „PLRG“ – „Papalebensrettungsgesellschaft“. Wie könnte man so einen ernst nehmen? Papa rettet schon lange keine Leben mehr, er kriegt ja kaum den Unterhalt für das seiner eigenen Familie zusammen.

Das sommerbrisensanfte deutsche Urlaubskomödchen in Zeiten der Prekarisierung: In diesem Widerspruch liegt eigentlich reichlich erzählerisches Potenzial – das mit „Tollpension“ (Buch: Anne Müller, Regie: Tim Trageser) leider nicht annähernd ausgeschöpft wird. Denn immer, wenn sich in der Genre-bedingten Schönwetterkulisse ein subversiver Sturm zusammenbrauen könnte, entlädt er sich in der Handlung doch nur als laues Lüftchen.

Kein Heile-Welt-Klischee wird hier wirklich aus der Fernsehwelt weggeblasen. Auch die Idee, den ruhe- und pflegebedürftigen Kleinbürgerpatriarchen mit einer Gruppe fröhlich lärmender Behinderter zu konfrontieren, die ihm auch noch das Lieblingszimmer mit Meerblick in der Stammpension wegschnappen, wird recht halbherzig umgesetzt. Und am Ende haben sich natürlich alle wieder lieb.

So bleiben schließlich nur ein paar ganz wenige tragikomische Impressionen aus dem Ostsee-Urlaubsparadies im Gedächtnis haften. Zum Beispiel diese: Der verhöhnte und verstoßene Vater Mahlström radelt alleine an der Küste entlang – auf einem Tandem. Da funkelt sie dann doch einmal ganz kurz auf, die böse Botschaft, die dem Urlaubsschmonzes anfänglich zugrunde gelegen haben mag: Dem deutschen Kleinfamilienfürsten geht langsam die Puste aus.CHRISTIAN BUSS