Einigung auf Kosten des Sozialen
USA Mit einem Kompromisshaushalt wollen republikanische und demokratische Parlamentarier die Funktionsfähigkeit der Regierung herstellen – zumindest bis 2015
„Wir schlingern seit Jahren von Krise zu Krise. Verheerend“
SENATORIN PATTY MURRAYAUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Einen „guten ersten Schritt“ nennt Barack Obama den Entwurf für einen US-Haushalt für zwei Jahre. Der Präsident fordert die Kongress-Abgeordneten auf, dem Haushalt zuzustimmen.
Einen Monat vor Ablauf des provisorischen Haushalts haben am Dienstag der Republikaner Paul Ryan und die Demokratin Patty Murray ihren Vorschlag vorgelegt. Nach dem 16-tägigen Drama im Oktober, während dem die Regierung wegen der Haushaltsblockade im Repräsentantenhaus stillgelegt war, wollen die beiden Abgeordneten es dieses Mal mit einem Vorgehen probieren, das in Tea-Party-Ohren in Washington wie ein Schimpfwort klingt: mit einem Kompromiss.
Der Entwurf sieht vor, Ausgabenkürzungen in Höhe von rund 63 Milliarden Dollar zu beenden. Das wird insbesondere die Militärausgaben begünstigen. Das Budget für das Pentagon soll in dem neuen Haushalt sogar noch steigen. Ohne Steuererhöhungen wollen Ryan and Murray ihr Paket mit höheren Flughafengebühren finanzieren sowie mit höheren Eigenbeteiligungen von Staatsbediensteten an ihrer Sozialversicherung und Einschnitten in das Arbeitslosengeld.
Über eine Laufzeit von zwei Jahren wollen sie so das Haushaltsdefizit der USA um rund 23 Milliarden Dollar verringern. Das ist angesichts von mehr als 17 Billionen Dollar Haushaltsdefizit ein eher symbolischer Beitrag zur Ausgabenreduzierung.
Der Republikaner Ryan, der Chef des Haushaltsausschusses im mehrheitlich republikanischen Repräsentantenhaus, hat für die Gespräche mit Murray, Chefin desselben Ausschusses im mehrheitlich demokratischen Senat, die Rückendeckung seiner Parteispitze bekommen. Beim „Shutdown“ im Oktober waren dieselben „moderaten“ RepublikanerInnen noch der radikalen Logik der Tea-Party gefolgt. Doch der „Shutdown“ ist nicht nur teuer für den US-Haushalt, sondern auch unpopulär in der US-Bevölkerung gewesen. Und die republikanische Parteispitze will eine immer noch mögliche Neuauflage ab dem 15. Januar vermeiden.
Doch von den Rändern kommt heftige Kritik an dem republikanisch-demokratischen Kompromiss. Die Dachorganisation der Gewerkschaften AFL-CIO beklagt, die Bundesbeschäftigten würden als „Boxsäcke“ behandelt. Von rechts rufen Tea-Party-Mitglieder dazwischen, der Entwurf sei „verantwortungslos“ und sorge für einen „künstlichen Frieden“ in Washington. Für die rund 1,3 Millionen Langzeitarbeitslosen, deren Leistungen Ende dieses Monats auslaufen und infolge des Haushaltsentwurfs nicht verlängert werden würden, spricht bislang niemand. Sie haben keine Lobby.
Für Ryan dürften die Gespräche mit der Demokratin leichter gewesen sein als die innerparteilichen Auseinandersetzungen, die ihm bevorstehen. Die Senatoren Marco Rubio aus Florida und Ted Cruz aus Texas, beide vom radikal rechten Flügel der Partei und potenzielle Präsidentschaftskandidaten, haben bereits lautstark gegen den Entwurf protestiert.
In der demokratischen Partei stoßen die Einschnitte in dem Haushalt, die vor allem sozial Schwache treffen, auf Kritik. Senatorin Murray verteidigt den Kompromiss: „Wir schlingern seit Jahren von Krise zu Krise. Diese Ungewissheit ist verheerend für unsere fragile wirtschaftliche Erholung.“
Meinung + Diskussion SEITE 12