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Archiv-Artikel

CIA hat viele Freunde

VON BERND PICKERT

Mindestens sieben europäische Länder haben den USA bei der illegalen Verschleppung von Gefangenen durch den US-Geheimdienst CIA aktiv geholfen oder die CIA-Aktivitäten bewusst ignoriert. Zu diesem Ergebnis kommt der Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, der Schweizer Dick Marty, in seinem gestern vorgelegten Abschlussbericht. „Es ist jetzt klar, dass Behörden in verschiedenen europäischen Ländern aktiv mit der CIA bei diesen gesetzwidrigen Aktivitäten zusammengearbeitet haben. Andere Länder haben sie wissentlich ignoriert oder wollten davon nichts wissen“, sagte Marty gestern bei der Vorstellung seines Berichtes in Paris.

Wie in seinem im Januar dieses Jahres vorgelegten Zwischenbericht kann Marty auch in seinem Abschlussreport keine harten Beweise für einzelne Fälle oder die Existenz von Geheimgefängnissen in Polen oder Rumänien vorlegen, von denen die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Ende vergangenen Jahres berichtet hatte. Im ersten Teil seines Berichtes verweist Marty darauf, dass er keinerlei Ermittlungsbefugnisse oder privilegierten Zugang zu Akten oder Dokumenten gehabt habe. Er sei in seiner Arbeit gänzlich auf die – in der Praxis allerdings mangelhafte – Zusammenarbeit der jeweiligen Regierungen angewiesen gewesen. Folgerichtig handele es sich bei seinem Abschlussbericht auch nicht um die vollständige Aufklärung aller Tatbestände.

Marty beschreibt die Praxis der Geheimflüge und geheimen Haftzentren als „Spinnennetz“. Um aus den tausenden von Daten über CIA-Flüge diejenigen rund zwei Prozent herauszufinden, bei denen tatsächlich Gefangene transportiert wurden, erstellt er ein typisches Profil solcher Flüge, was die Tageszeit, die angeflogenen Flughäfen, den Flugzeugtyp und die Aufenthaltsdauer der Maschinen angeht. Zusammen mit Aussagen Betroffener, etwa des Deutschen Khaled al-Masri, gelingt es Marty so, ein Gesamtbild des Systems aufzuzeigen – ohne aber neue Beweise dafür erbringen zu können, ob, wie viele oder welche Gefangene sich tatsächlich wann an Bord der Maschinen befanden.

Im Fall al-Masri wiederholt der Sonderermittler die Vermutung, dass deutsche Behörden von Beginn an mit der CIA zusammengearbeitet haben. Wie auch schon andere vor ihm beruft sich Marty dabei auf die detaillierten Fragen des Verhörpersonals nach al-Masris Leben und Kontakten in Neu-Ulm, die sie ohne deutsche Kooperation unmöglich hätten stellen können.

Bei der Bewertung der europäischen Länder konzentriert sich Marty auf zwei Faktoren: Die Zusammenarbeit mit der CIA bei den Geheimflügen und die Zusammenarbeit mit ihm selbst bei der Untersuchung. Im Falle Deutschlands zeigt sich Marty enttäuscht – zwar hätten insbesondere die Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Hans-Christian Ströbele (Grüne) ihn regelmäßig mit Informationen versorgt, doch die Antworten der Bundesregierung auf konkrete Anfragen seien stets überaus vage ausgefallen – und der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, „Mr Röttgen (CDU), schickte mir als Antwort auf meine Anfrage die ‚öffentliche‘ Version des Berichts, die, offen gesagt, nicht sehr informativ ist und auf keinen der in den Medien diskutierten Einzelfälle eingeht.“

Marty kommt zu dem Schluss, „der Eindruck, den einige Regierungen zu Beginn dieser Debatte erwecken wollten – dass Europa ein Opfer geheimer CIA-Pläne sei –, scheint mit der Realität nicht übereinzustimmen.“ Vielmehr seien Schweden, Bosnien-Herzegowina, Großbritannien, Italien, Mazedonien, Deutschland und die Türkei direkt für die Verletzung der Rechte Gefangener verantwortlich zu machen.

Der vollständige Bericht ist abrufbar unter http://assembly.coe.int