Linke nominiert Luc Jochimsen

PRÄSIDENTENWAHL I Die Exchefredakteurin des Hessischen Rundfunks soll gegen Wulff und Gauck antreten. Doch die Kandidatenkür sorgt in der Linkspartei für erheblichen Ärger

„Die Fraktion darf nur abnicken, was längst beschlossen ist“

EIN LINKSPARTEI-ABGEORDNETER

VON STEFAN REINECKE

Die Linkspartei hat in einer Eilaktion eine eigene Kandidatin für die Bundesversammlung am 30. Juni nominiert. Luc Jochimsen, seit 2005 für die Linkspartei im Bundestag und kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion, wird gegen Joachim Gauck und Christian Wulff antreten.

Die Nominierung ist eine Reaktion auf den Alleingang von SPD und Grünen, die den Exbürgerrechtler Joachim Gauck aufgestellt hatten. Damit hat sich die Spitze der Linkspartei über heftige Bedenken in Teilen der Fraktion hinweggesetzt. Manche wollten lieber keine eigene Kandidatin nominieren. Zu riskant, so die Befürchtung.

2009 hatte die Linkspartei den Schauspieler Peter Sodann aufgestellt, der durch ziemlich eigenwillige Äußerungen die Partei in Erklärungsnot gebracht hatte. Von Jochimsen verspricht man sich eine störungsfreie Kandidatur.

Am Dienstag waren alle GenossInnen voll des Lobes. Laut Fraktionschef Gregor Gysi ist die Exchefdakteurin des Hessischen Rundfunks „hochgebildet“ und strahlt „Würde“ aus. Sie trete stets für politische Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein. Parteichef Klaus Ernst wünschte sich eine Präsidentin, die „Anwalt des Volkes auch gegen die Regierenden“ sei.

Jochimsen erklärte, Frieden sei ihr Lebensthema. Sie habe als Kind den Krieg noch erlebt und sei stets kritisch gegenüber den Herrschenden gewesen. Als Bundespräsidentin werde sie „Friedenstifterin nach außen und innen“ sein und die Vereinigung von Ost und West fördern.

Das Nominierungsverfahren hatten manche in der Fraktion allerdings als Überfall empfunden. Am Montag hatten die Chefs der Landesverbände und die Bundestagsfraktion faktisch der Kandidatur zugestimmt, ohne zu wissen, wer kandidiert. Auch Dienstagmittag vor der Fraktionssitzung hatten die Abgeordneten noch immer keine offizielle Bestätigung, wer für sie antritt. Währenddessen meldeten Medien schon den Namen Jochimsen. „Die Fraktion darf nur abnicken, was längst beschlossen ist“, schimpfte ein Parlamentarier. Das sei offenbar „der neue sozialdemokratische Führungsstil“ in der Linkspartei.

Die Partei schickt 125 Wahlmänner und -frauen in die Bundesversammlung. Klarer Favorit ist der CDU-Politiker Christian Wulff, der gute Chancen hat, schon im ersten Wahlgang gewählt zu werden. Denn von den 1.244 Wahlleuten stellen die Koalitionsparteien 21 mehr, als für die absolute Mehrheit nötig sind. Falls wider Erwarten doch ein zweiter oder dritter Wahlgang nötig werden sollte, ist offen, ob die Linkspartei für Gauck oder Wulff stimmen würde.

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